John Illsley: Der Sultan des Basses

Offiziell will John Illsley ja derzeit vor allem sein neues Album vorstellen. Auch in der Harmonie. Doch von „Long Shadows“ kommt vor halbleeren Rängen nicht sonderlich viel – dafür zur Freude des Publikums umso mehr Hits aus der guten alten Zeit der legendären Dire Straits, die Illsley 1977 zusammen mit Mark und David Knopfler gegründet hatte und denen er bis heute nachzutrauern scheint. Das war und ist sein Sound, diese besondere Mischung aus Rockigem und Lyrischem, aus Melancholie und Gelassenheit, oft erzählend, immer berührend. Und so klingt selbst in den neuesten Kompositionen des Bassisten mit der kratzigen Stimme immer ein Hauch Nostalgie mit, schwebt eine permanente Knopfler-Reminiszenz wie ein Geist über den Wassern. Schlimm ist das keineswegs, zumal die Fans ohnehin in erster Linie gekommen sind, um ebenfalls in Erinnerungen zu schwelgen. Die Illsley nur zu gerne wachruft. Und somit alle glücklich macht. Na gut, fast alle.

Schon der Opener des Konzerts gibt die Marschrichtung an: Mit „Walk Of Life“ nehmen sich Illsley und seine Band gleich einen der größten Straits-Hits vor. Dumm nur, dass die positive Ausstrahlung des Songs von der Hälfte der Musiker nicht reflektiert wird. Vor allem Background-Sängerin Jess Greenfield wirkt völlig deplatziert, lustlos, müde, gelangweilt. Der Auftritt ist für sie offenbar mehr Verpflichtung denn Leidenschaft, ebenso wie für den Keyboarder Steve Smith und den bereits mit Oasis und The Black Crowes kollaborierenden Gitarrist Paul Stacey, die aber immerhin im Laufe des Abends weitaus schneller auftauen als die junge Britin, der ein Lächeln ganz gut zu Gesicht stehen würde. Auf der anderen Seite rollt Illsley genüsslich sein Programm ab, streut ab und zu ein paar eigene Songs ein und steuert zugleich zielgerichtet auf „Romeo and Juliet“ sowie „Sultans of Swing“ zu, die natürlich an so einem Abend nicht fehlen dürfen. Bei letzterem zeigt auch der zweite Gitarrist im Bunde, Robbie Macintosh, warum Künstler wie Paul McCartney, John Mayer und Tom Jones immer wieder gerne auf seine Fähigkeiten zurückgreifen: Was für ein starkes Solo!

Überhaupt scheint dieses Stück ein Weckruf gewesen zu sein. Nach der Pause zeigt sich die Band auf jeden Fall weitaus frischer und energiegeladener, setzt mit „Calling Elvis“ und dem großartigen Illsley-Titel „Railway Tracks“ rockende Duftmarken, hält selbst bei so ruhigen Nummern wie „On Every Street“ die Spannung und ist einfach insgesamt präsenter. Paul Stacey wirkt gelöster, Drummer Stuart Ross spielt deutlich mehr nach vorne, sogar Jess Greenfields Mundwinkel ziehen etwas häufiger nach oben. Geht doch. Auch Illsley wirkt selbstbewusster, greift viel häufiger auf seine eigenen Kompositionen zurück, selbst wenn die wie etwa das schmalzige „Streets Of Heaven“ nicht immer in der oberen Liga mitspielen. Souverän dagegen der Titelsong „Long Shadows“, den Illsley dem kürzlich verstorbenen Prince widmet, weil dieser eben tiefe Schatten und große Fußabdrücke zurücklässt. Eine schöne Geste kurz vor Schluss. Den bilden natürlich noch zwei Dire-Straits-Titel, die einfach nicht fehlen dürfen: „Money For Nothing“ und „Brothers In Arms“ sorgen für ein umjubeltes Finale, und auch wenn gerade bei dem letztgenannten Stück Mark Knopfler schmerzhaft fehlt, kann Illsley letztlich zufrieden sein. Die Unterschiede zwischen den eigenen Stücken und denen der Dire Straits sind vernachlässigbar, die insgesamt fünf „Long Shadows“-Stücke machen allesamt eine gute (wenn auch nicht unbedingt nachhaltige) Figur. Und wenn die Band wach ist, klappt es auch mit der Energie. Und dem Lächeln.

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