Hans Zimmer: Emotionaler Tiefenrausch

Es ist schon ein magischer Moment. Einer von vielen, aber wahrscheinlich der größte an diesem Abend. Unvermittelt steht er da, Lebo M, dessen unvergleichliche Stimme jeder kennt, der schon einmal die ersten Sekunden von „The Lion King“ gesehen hat. Ihn hat Hans Zimmer als Überraschungsgast mit in die Kölner Lanxess Arena geholt, wo der legendäre Filmkomponist in einem überwältigenden Konzert zum Abschluss seiner Deutschland-Tournee erstmals einen Überblick über sein bisheriges Schaffen gibt. Mächtig, gewaltig, wuchtig kommt die Musik oft daher, begleitet von einem Licht- und Farbengewitter, nur um dann wieder abzuebben, ruhig zu werden, umschmeichelnd, lyrisch. Und mittendrin eben Hans Zimmer, der all das orchestriert, mal am Klavier, mal am Synthesizer und mal an der Gitarre, immer aber auf der Klaviatur der Gefühle spielend, wie es außer ihm nur ganz wenige vermögen.

Natürlich ist der Jubel des Publikums auch zu einem nicht unerheblichem Teil der Verknüpfung mit den Blockbustern geschuldet, die der gebürtige Frankfurter mit seiner Musik entscheidend mitgestaltet hat. Bei der „Fluch der Karibik“-Suite etwa tauchen sofort die entsprechenden Bilder vor dem inneren Auge auf (mit denen die Musiker augenzwinkernd spielen, mal einen Papagei auf der Schulter haben oder auf einmal einen Piratenhut auf dem Kopf), ebenso wie zuvor bei „Gladiator“ mit dem eindringlichen Gesang von Czarina Russell und dem ersten prominenten Gitarrenpart des Incubus-Saitenvirtuosen Mike Einziger, der leider insgesamt recht wenig Aufmerksamkeit erhält. Dafür stehen die massigen Orchester-Arrangements zu sehr im Vordergrund. Über 70 Musiker hat Zimmer in Köln auf der Bühne versammelt, deren Potenzial er nur zu gerne ausnutzt. Leider erweist sich die Lanxess Arena dafür als nur bedingt geeignet: Immer wieder scheppern Verstrebungen aufgrund brachial hervorbrechender Bässe oder es entsteht herumwabernder Klangbrei, den die Tontechniker offenbar nicht so recht in den Griff bekommen. Schade, bleibt so doch ein gewisser Genuss auf der Strecke.

Doch was übrig bleibt, ist mehr als eindrucksvoll. Immer wieder stürzen Zimmer, seine Band, sein Orchester und sein Chor das Publikum in emotionale Tiefen, sorgen mit „The Lion King“ für Freudentränen, jagen bei „The Thin Red Line“ den Puls nach oben oder berühren ausgerechnet mit dem aggressiv-düsteren „The Dark Knight“, da Zimmer gegen Ende der Suite sowohl dem bei den Dreharbeiten zum zweiten Teil verstorbenen Heath Ledger als auch, mit einem Chor ohne Worte, den Opfern des Amoklaufs von Aurora gedenkt. „Die Welt wird immer schlimmer, aber heute wollen wir mit unserer Musik die Arme um euch legen“, erklärt der 58-Jährige dazu. Das Publikum nimmt dieses Angebot nur zu gerne an, nur um im nächsten Moment wieder zu staunen. Denn kurz vor Abschluss des fast dreistündigen Konzerts, zu „Interstellar“, hebt sich hinter dem Chor eine Wand und gibt den Blick auf eine Orgel frei, die allerdings vor allem durch beachtliche Farbeffekte glänzt. Episches Licht für eine epische Musik. Das kommt an. Das begeisterte Publikum feiert Hans Zimmer, der endlich einmal wieder zu Hause ist, und seine exquisiten Musiker dafür mit stehenden Ovationen. Und zwar zu Recht.

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