Andreas Kümmert: Die Kunst des Understatements

Was für eine Stimme! Zugegeben, seit der Teilnahme bei "The Voice of Germany" wissen unzählige Musikfans um die gesanglichen Qualitäten Andreas Kümmerts, doch wissen und erleben sind nun einmal zwei verschiedene Dinge. Und so beeindruckt der 29-Jährige bei seinem ersten Konzert in Bonn um so mehr. Seine Energie, seine Ausdrucksstärke und seine scheinbar mühelosen Wechsel in die hohen Lagen euphorisieren das bunt gemischte Publikum in der ausverkauften Harmonie, sorgen ein ums andere Mal für Jubelstürme und verwandeln jede noch so schlichte Ballade in ein etwas Besonderes.

Diese gute Stimmung, die er sich mehrfach bestätigen ließ, dürfte Kümmert beruhigen – er, der beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2015 eigentlich klar gewann und dann doch aufgrund von Angstzuständen zurückzog. Mit diesen Problemen hat er seitdem nach eigener Aussage zu kämpfen, kommt aber offenbar langsam wieder in Fahrt.In der Harmonie, in der Künstler und Publikum ohnehin sehr auf Tuchfühlung gehen, schlägt er sich auf jeden Fall sehr gut und agiert erfreulich locker. Er kann's ja. Wenn seine Angst ihn lässt. "Das Schöne ist die Nähe, und das Schlimme ist die Nähe", sagt er gerne über sein Verhältnis zu seinen Fans. Ein Paradox, so wie er selbst, das stimmgewaltige Kraftpaket mit der sensiblen Seele.

Kümmert koketiert aber auch mit dieser Situation, pflegt immer wieder die Kunst des Understatements. "Wir sind das Duo Les Miserables", stellt er sich und seinen Bühnenpartner vor, "er ist Les und ich bin alles andere." Dann wieder setzt er sich nach der Pause ans Keyboard, klimpert etwas verstockt "Alle meine Entchen" und steigt erst dann in eine gefühlvolle Ballade ein, so als ob er schon immer an den Tasten und nicht vielmehr an den Saiten zu Hause ist. Diese Tiefstapelei hat Kümmert überhaupt nicht nötig. Alles, was er braucht, sind ein paar Songs mit einer größeren Bandbreite. Derzeit spielt er noch viele Titel seines Erstlings-Albums "Here I Am", die ihm andere auf den Leib geschrieben haben und die ab einem gewissen Punkt alle ähnlich klingen: Schöne folkig-bluesige Nummern mit einigen druckvollen oder wahlweise verklärten Stellen, denen allerdings ein eingeschränktes Melodieschema zu Grunde liegt. Keine Frage, die Stücke passen gut zu Kümmert, doch es ist schon bezeichnend, wenn in erster Linie Cover-Versionen wie der durch Joe Cocker unsterblich gemachte Traffic-Hit "Feelin' Alright" oder "To Love Somebody" von den Bee Gees als Höhepunkte des Abends fungieren. Bleibt zu hoffen, dass Kümmert mit eigenen Kompositionen an diese Momente anschließen kann. Die Stimme dazu hat er schließlich.

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