Rainald Grebe: Wahnsinn hoch sieben

Ursprünglich sollte es ja ein neues Solo werden. Hat nicht geklappt. Zu viel um die Ohren, zu wenig Ruhe für eine frische Dosis gut durchdachten Nonsens. Also setzt Rainald Grebe bei seinem Besuch in der ausverkauften Bonner Oper auf seinen großen Koffer, in dem er das Beste oder auch Obskurste der letzten sieben Programme verstaut hat, also all die dadaistischen, melancholischen, bizarren, herrlichen Wahnsinnslieder über Carrerabahnen, Multitasking, Rauchfreiheit und den Tester Bernd, der selbst der Schöpfung seinen Stempel aufdrückt. „Mangelhaft“ steht drauf. So ein Quatsch. Immerhin gibt es Musik. Und Träumer wie Rainald Grebe, die mit ihrem ganz besonderen Blick auf die Welt andere zu faszinieren verstehen. Das ist doch auch was wert.

Tatsächlich ist Rainald Grebe speziell. Nicht nur optisch, auch wenn der Rauschebart, die Indianermütze, die Plüschohren und das Tütü sofort ins Auge fallen. Doch hinter dem Augenscheinlichen ist mehr. Vor allem noch mehr Irrsinn. Und eine bemerkenswerte Vielschichtigkeit. Mal schaut Grebe mit scharfem Blick auf die Absurditäten des Lebens, lässt einen Studenten den Inhalt einer Vorlesung mit einer Schreibmaschine statt eines Laptops mitschreiben oder fiebert bei einem Robo-Fußballspiel mit, dann wieder gedenkt er mit einer Mischung aus Nostalgie und Melancholie Robinson Crusoe oder der eigenen Jugend als Käpt'n Krümel (immer noch eines der schönsten Lieder, die der 44-Jährige je komponiert hat). Auch böse kann er sein, herrlich satirisch, vor allem als „Diktator der Herzen“ Hassan Bamamba – „Bin seit 40 Jahren an der Macht / Hab drei Putsche überlebt / Weiß nur eins mit Sicherheit: / Ich werde wiedergewählt“, singt er da. „ich war gerade in Südafrika, da haben wir zwei Konzerte mit Simultanübersetzung gegeben, und bei diesem Song waren alle total begeistert“, erzählt Grebe dazu.

Ja, Rainald Grebe kann sich durchaus auch kritisch äußern, kann das eingeigelte Deutschland in dem Wohlstandskokon ebenso unter die Lupe nehmen wie den Tod durch Überarbeitung, für den es in Japan sogar ein eigenes Wort gibt. „Karōshi“ heißt es, wenn ein Alleskönner und Allesmacher, ein „Mister Währenddessen“ (so heißt es in „Multitasker“), der zehn Jobs gleichzeitig jongliert und dabei immer noch lächelt, irgendwann schlichtweg kollabiert. Mitunter hat man gar den Eindruck, dass Grebe diese Lieder weniger für das begeisterte Publikum singt und mehr für sich selbst, den dauernd Tourenden, der immer wieder produktiv sein und neue kryptische Lieder schaffen muss, auch wenn die mitunter keiner versteht. Gut, das gehört zu seinem Gaga-Stil, ist mitunter aber auch ein Überbleibsel aus seiner Frühzeit. „All die Stücke vor 2004 habe ich für mich selbst geschrieben“, erklärt Grebe und verweist auf das mit Bildern überfrachtete „Faust“, das letztlich auf einer Assoziations-Melange beruht, die er im Zusammenhang mit seinem ersten Engagement als Puppen- und Schauspieler hatte.

Wie üblich sitzt Grebe die meiste Zeit über am Klavier, immer wieder neue Objekte aus seinem großen Koffer holend, Deko-Elemente etwa, Bücher oder Noten. Neben Licht- und Tontechniker Frank, der ihn mit Hall und Pitch versorgt, leistet ihm dabei auch Gitarrist Marcus Baumgart Gesellschaft, der immer wieder Akzente setzt und nur bei „Krümel“ etwas zu dumpf und zu laut wirkt. So kriegt Grebe die Zeit auch rum. Mehr als zwei Stunden feinste Nonsenslieder sorgen beim Publikum für frenetischen Jubel – wozu also noch ein neues Programm schreiben, das nach jetzigem Stand im Herbst Premiere feiern soll? Geht doch auch so. 

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