Local Ambassadors + Soom T: Vielfarbig und atemberaubend

Die Harmonie hat sich in eine Diskothek verwandelt. Arme wippen im Takt, Körper wiegen sich hin und her, ein Chor aus Stimmen singt lauthals Zeilen, die eine zierliche junge Frau in bester Reggae-Manier vorgibt. Eine Schottin mit indischen Wurzeln, die ein deutsches Publikum mit jamaikanischen Rhythmen in Party-Stimmung versetzt. Gute Musik schert sich eben nicht um Nationalitäten oder Grenzen – und genau das will das „Over the Border“-Weltmusikfestival, das in diesem Jahr zum ersten Mal in Bonn stattfindet, ja schließlich zeigen. Mit Soom T hat Organisator Manuel Banha somit einen von insgesamt zwei Volltreffern des Eröffnungsabends gelandet. Der andere erwies sich in Form der Local Ambassadors (eine gesanglich aufgestockte Variante der in der Region hinlänglich bekannten Formation „Sax and the City“) als nicht minder brillant,  ließ die Band doch ebenfalls von der ersten Sekunde an Stimmung aufkommen. Was also will man mehr?

Weltoffenheit, wohin man schaut. Und Neugier. Der Blick über den Tellerrand, der eine viel reizvollere Erfahrung darstellt als die Abschottung von Körper und Geist, war an diesem Abend allgegenwärtig. Noch vor dem offiziellen Konzertauftakt sorgte der erst 13-jährige Johannes Siewert für Aufsehen, als er die Instrumentalisten der Local Ambassadors mit seiner persischen Geige begleitete und sich auch in einen kleinen Austausch mit Percussionist Roland Peil wagte. Dieser hatte extra für den Abend drei Sänger ausgewählt und dabei ein goldenes Händchen gehabt:  Abiodun Odukoya alias Don Abi, Albert N'Sanda und Melane Nkounkolo erwiesen sich als perfekte Konstellation, vermochten sie doch hervorragend miteinander zu harmonieren und sich zugleich geschickt voneinander abzusetzen. Don Abis volltönendes Organ rief Erinnerungen an den Motown-Soul wach, während der helle Tenor N'Sandas – ein das Publikum aufputschendes Energiebündel, das erst im Januar an der Single „Zeiten ändern sich“ von Culcha Candela mitgewirkt hat – zwischen Deutsch-Pop mit Botschaft (so sang er ein Lied über Edward Snowden) und R'n'B wechselte. Und Melane Nkounkolo? Die Afro-Pop-Gazelle, deren Lächeln den gesamten Raum zum Strahlen bringen konnte, kombinierte kongolesische Texte mit aufreizendem Groove und einer charismatisch weichen Stimme zu fantastischen Klangkonglomeraten, zu denen die exzellente Band und vor allem der immer wieder in den Vordergrund tretende Saxofonist Waldemar Leczkowski beitrugen.

Und jetzt also Soom T mit ihrer Mischung aus Dancehall, Hip Hop, Raggamuffin und dem aus dem Punjab stammenden Bhangra. Atemberaubend schnelle Textzeilen purzeln von ihren Lippen, eingefügt in druckvolle Beats und ein herausragendes Schlagzeugspiel von Drummerin Vee, die mit sichtlicher Freude über die Toms und Becken jagte, präzise, rockend und auch, wenn nötig, herrlich dezent. Die Live-Band, mit der Soom T erstmals auf Tour ist, macht sich bezahlt, ist weitaus angenehmer als vom Computer generierte Patterns. Die junge Frau am Mikrofon merkt dies anscheinend auch, fühlt sich wohl in ihrer Haut und in dieser Stadt. „Ich liebe Bonn“, improvisiert sie bei einem Song. Ein Blick ins Publikum zeigt: Das Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit.

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