Ennio Morricone: Maestro des Westerns

Als die ersten Mundharmonika-Töne erklingen, bricht der gesamte Saal in Jubel aus. Darauf haben sie gewartet, hier in der ausverkauften Lanxess Arena – alles andere war für die Menge lediglich ein Vorspiel. Mit diesem jaulend-klagenden Klang, dem legendären Thema aus „Spiel mir das Lied vom Tod“, hat der italienische Komponist Ennio Morricone 1968 das Fundament für eine Karriere gelegt, dank derer er inzwischen auf Werke in über 500 Filmen zurückblicken kann. Nun ist der Maestro, der erst im vergangenen Jahr die Musik für Quentin Tarantinos „The Hateful Eight“ geschrieben und damit gute Chancen auf den schon lange ausstehenden Oscar hat, für sein einziges Deutschland-Konzert nach Köln gekommen, natürlich mit besagter Mundharmonika-Melodie. Doch die ist nur eines der Highlights an diesem besonderen Abend.

„60 Years of Music“ hat Morricone seine aktuelle Konzerttour übertitelt, 55 davon hat er mit dem Komponieren von Filmmusiken zugebracht. Zusammen mit dem Czech National Symphony Orchestra, dem Kodály- sowie dem Csokonai National Theatre Chor will er einen Überblick über sein Œuvre geben, in dem die populären Spaghetti-Western-Melodien aus Klassikern wie eben „Spiel mir das Lied vom Tod“, „The Good, the Bad and the Ugly“ oder „Todesmelodie“ tatsächlich nur einen kleinen, wenn auch wichtigen Teil ausmachen. So dirigiert der 87-Jährige sitzend, aber immer noch energisch Suiten aus „The Red Tent“ oder „The Mission“, letztere mit dem wunderschönen „Gabriel's Oboe“ und dem prächtigen, mit komplexer Perkussion und vollen Chorpartien unterlegten „On Earth As It Is In Heaven“; zaubert zärtliche Adagios; schichtet dann wieder geschickt eine Instrumentengruppe auf die andere, das Orchester in ein mächtiges Forte treibend. Ein Genuss. Auch verneigt sich Morricone vor zwei italienischen Regisseuren, mit denen er besonders verbunden ist: Sowohl mit Giuseppe Tornatore als auch mit Mauro Bolognini hat er immer wieder zusammengearbeitet und mit seiner herausragenden tonalen Bildsprache einige lyrische Meisterwerke geschaffen, die sich gut in das Gesamtkonzept des Abends einfügen. Sie bilden einen oft verträumt wirkenden Gegenpart zu den aufrührenden Western-Melodien – und zu den bedrohlichen, düsteren Klängen von „The Hateful Eight“, in denen Morricone unter Beweis stellt, dass Altersmilde in seiner Musik nicht zu erwarten ist.

Zweieinhalb Stunden führt Morricone durch seine Welt, zieht alle Register des präzise und prägnant spielenden Orchesters sowie des Doppelchores, der für den Maestro ohnehin nur ein weiteres großes Instrument ist, das mit vielstimmigen Haltetönen gelegentlich für Volumen sorgt. Hervorzuheben ist der Auftritt von Star-Sopranistin Susanna Rigacci, die unter anderem bei dem recht schnell dirigierten „The Ecstasy Of Gold“ ihre Brillanz unter Beweis stellt. Das restlos begeisterte Publikum spendet ihr, vor allem aber dem Meister selbst stehende Ovationen. Dieser hofft nun, in wenigen Tagen endlich den letzten noch ausbleibenden Preis, einen Oscar für die beste Filmmusik, in den Händen halten zu können. Eine Ehrung ist ihm aber jetzt schon sicher: Zwei Tage vor der Oscar-Verleihung am 28. Februar erhält er einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. Weniger hat er nicht verdient.

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