„Also sprach Friedrich Nietzsche“: Abrechnung mit Gott und der Welt

Das Datum ist schon provokant gewählt: Ausgerechnet an Karfreitag, am Tag der Trauer über den Tod Jesu am Kreuz, hat die Volxbühne im Kohlenkeller unter dem Südbahnhof mit einem stark gekürzten, 60-minütigen szenischen Vortrag aus Friedrich Nietzsches „Der Antichrist“ eine radikale Abrechnung mit dem Christentum auf die Bühne gebracht, in der das Opfer des Gottessohns zur größten Lüge der Menschheitsgeschichte stilisiert wird.

Den großen Philosophen hätte diese Symbolik sicherlich erfreut – in seinen Augen dürfte kaum ein anderer Tag besser geeignet sein, um über das Evangelium nachzudenken, über das, was Jesus gelebt hat und das, was Paulus und andere schließlich predigten. Mit großer Polemik und scharfer Rhetorik seziert Nietzsche in diesem zentralen Text seines Œuvres Theologie und Ideologie, kritisiert die Kirche als höchste aller nur denkbaren Korruptionen und die Priester als machtgierige Heuchler. Eine spannende Analyse, die tatsächlich mehr ist als bloße Blasphemie – doch leider gelingt es Schauspieler Guido Grollmann in der Inszenierung von Christoph Pfeiffer nur bedingt, diese argumentatorische Wucht umzusetzen.

Ohnehin stellt sich die Frage, ob „Also sprach Friedrich Nietzsche“ im Kohlenkeller richtig angesiedelt ist. Im Gegensatz zu den anderen dort stattfindenden Produktionen nutzt diese nicht die besondere Enge des für zehn Zuschauer geeigneten Raums, setzt nicht auf Beklemmung und Bedrohung, zeigt noch nicht einmal einen Wahnsinnigen, auch wenn Regisseur Pfeiffer den Philosophen, indem er Grollmann immer wieder mit einem Pferdekopf reden lässt, diese Lesart befeuert (einer unbelegten Anekdote zufolge soll Nietzsche im Januar 1889 ein von einem Kutscher geschlagenes Tier aus Mitleid umarmt haben – kurz darauf wurde er eingewiesen). Doch Grollmann fehlt das irre Funkeln in den Augen, um diesen Ansatz zu tragen. Sein Nietzsche ist während des Dozierens beinahe brav, sich zwar durchaus mal aufregend, aber nie das Publikum – im Guten oder im Schlechten – in seinen Bann reißend. Die diversen kleinen Versprecher und Texthänger tragen ihren Teil dazu bei. Schade. Das können die Volxbühne im Allgemeinen und Grollmann im Besonderen eigentlich besser.

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