„In der Strafkolonie“: Psychoterror mit und nach Kafka

Eine überdimensionale, in ihrer Grausamkeit kaum noch zu übertreffende Tötungsmaschine in einem Gefangenenlager unter der Kontrolle eines Offiziers, der dieser Perversion von Gerechtigkeit und Menschlichkeit uneingeschränkt ergeben ist: Würde das Entstehungsjahr dem nicht entgegenstehen, könnte man Kafkas Erzählung "In der Strafkolonie" durchaus als Anspielung auf den Holocaust verstehen. Die Volxbühne, die den 1919 veröffentlichten und fünf Jahre zuvor geschriebenen Text nun unter dem "Südbahnhof" im Kohlenkeller in Szene setzt, greift diese unbeabsichtigte Parallele auf – und verleiht der ohnehin schon bedrückenden Vorlage eine neue Dimension des Schreckens.

„Wie bringt man diesen Apparat auf die Bühne?“, hatte sich Regisseur Christoph Pfeiffer gefragt. Und so lässt er den Juden Moses Mendelssohn (EnnE) auf den KZ-Lagerkommandanten Dr. Grotewohl (Guido Grollmann) treffen, die eine Leidenschaft für Kafka verbindet. Mendelssohn soll seinem Peiniger besagte Geschichte vorlesen, soll durch sie der Unabwendbarkeit des eigenen Schicksals gewahr werden. Doch während die Grenzen zwischen Erzählung und Rahmenhandlung zunehmend verschwimmen, während Mendelssohn immer mehr in die Rolle des Reisenden gedrängt wird und Grotewohl den sadistischen Offizier personifiziert, ändert sich das Kräfteverhältnis. Starker Tobak, den die Volxbühne hier mit einer ungeheuren Wucht präsentiert. Die beiden Darsteller sorgen mit ihrem intensiven Spiel für Gänsehaut und schaffen so ein Stück, das so grausam wie eindringlich ist. Stärker kann Theater kaum wirken.

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