„Fanal“: Der Wahnsinn im Kohlenkeller

Beklemmung ist das vorherrschende Gefühl. Nicht nur wegen der räumlichen Enge, auch wegen der emotionalen. Dicht an dicht mit einer Wahnsinnigen. Einer ideologischen Brandstifterin. Einer Mörderin. Dieses Funkeln in den Augen, die mal gleißend hell angestrahlt werden und dann wieder in fast vollständiger Dunkelheit zu versinken, nur erhellt von dem trüben Schein einer Laterne, lässt schaudern, ebenso wie das manische Lachen. Irre. Intensiv. Und eine bemerkenswerte Theatererfahrung.

Einen eindrucksvolleren Auftakt als das Ein-Personen-Stück „Fanal“ hätte die Theatergruppe Volxbühne kaum wählen können, um ihre neue Spielstätte, den schwarz-weiß gestrichenen Kohlenkeller unter der bereits für ähnliche Zwecke genutzten Kneipe „Südbahnhof“ gegenüber der Ermekeilkaserne, standesgemäß einzuweihen: Das Konglomerat aus aus Conrad Ferdinand Meyers Ballade „Die Füße im Feuer“, Georg Büchners Drama „Dantons Tod“ und Edgar Allan Poes Kurzgeschichte „Das verräterische Herz“ bezieht seine Kraft sowohl aus der exzellenten darstellerischen Leistung von Solistin Yael Anspach wie aus der Beklemmung des Publikums, aus Klaustrophobie und Nahbarkeit, die in den meisten anderen Häusern der Stadt überhaupt nicht realisierbar wäre. Hier schon. Gerade einmal 20 Quadratmeter misst der Raum, mehr als zehn Zuschauer und ein Schauspieler (oder in diesem Fall eine Schauspielerin) lassen sich in ihm kaum unterbringen. Zumal Anspach emotional jeden Zentimeter in Beschlag nimmt. Geschickt verknüpft sie die grausamen Handlungsstränge um ein Kriegsverbrechen in Anlehnung an die Bartholomäusnacht im Jahr 1572 (Meyer), die Hinrichtung des französischen Revolutionärs Georges Danton (Büchner) und den Mord eines Namenlosen an einer Greisin (Poe), die Regisseur EnnE ihr in die Hände gegeben hat – ein nicht immer ganz sinniger und stringenter Text, in seiner Wirkung aber nachhaltig. Auch wegen der Präsenz der 35-Jährigen, die ganz nah dran ist an den Zuschauern, auf Tuchfühlung, unter ihnen sitzend, sie ansprechend. Und immer diese Augen und dieses irre Grinsen. Ein teuflisch gutes Spiel.

Das Publikum zeigt sich dementsprechend begeistert und nutzt die Intimität der Spielstätte im Anschluss an das 45-minütige Werk unter anderem, um mit dem Ensemble ins Gespräch zu kommen und tiefer gehende Fragen zu stellen. Ein Auftakt nach Maß also. Und ein Fanal im wahrsten Sinne des Wortes. Bereits Ende der Woche folgt immerhin mit Kafkas „In der Strafkolonie“ der nächste Streich.

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