Schon von der ersten Sekunde an ist klar: Dieser Abend wird so manche Nerven strapazieren. „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ in Endlosschleife ist nun eben nicht dazu geeignet, das Publikum auf einen entspannten Abend einzustimmen. Andererseits, was will man auch von „Zärtlichkeiten mit Freunden“ anderes erwarten? Die beiden Anarcho-Kasparettisten Cordula Zwischenfisch (Christoph Walther) und Ines Fleiwa (Stefan Schramm) pflegen nun einmal die Kunst der grobmusikalischen Tortur, hinter der regelmäßig der Wahnsinn und nur ab und zu eine feinsinnige Pointe aufblitzt. Doch der Eklat in Bonn stellt alles bisherige in den Schatten: Cordula Zwischenfisch schmeißt schon im Vorfeld die Drumsticks hin, da der Freundes-Streit um Rotbäckchensaft-Flaschen mit oder ohne Pfand schlichtweg zu weit ging. Jetzt muss es Schüler Rico Rohs (eine andere Figur von Christoph Walther) richten – und damit beginnt die brüllend komische, absurde, peinliche und eben nervenaufreibende Katastrophe.
Rico ist eine skurrile Flickwerk-Kunstfigur: Auf der einen Seite ein geistig und emotional minderbemittelter Pennäler, der alles daransetzt, um nicht „auf der Strecke zu bleiben“, auf der anderen
ein Experte für die explosiven chemischen Verbindungen in einem Hamsterkäfig, rhomboide Fußballplätze mit einem Gefälle von 16 Grad, improvisierte Humanmedizin und die Verarbeitung von leidenden
Schweinen zu grinsender Wurst. Über letzteren kann, nein, muss man lachen, während die pubertierende Inkarnation eher zum Fremdschämen anregt und auch in der Interaktion mit „dem Ines“, der zu
einer Mischung aus Stichwortgeber und resigniert zuhörendem Sozialarbeiter degradiert worden ist, keine Spannung aufzubauen vermag.
Leider dominiert die Schüler-Persona die überlange erste Hälfte des Programms, in der starke Pointen Mangelware sind – erst nach der Pause stimmt die Balance zwischen schmachtenden Erinnerungen
an Ricos Flamme Saskya Speyer, die er mit norddeutschem Ukulelenspiel betören will, und hintersinnig-bissigen Anspielungen. Es mag daran liegen, dass schon die Einführung der neuen Figur sehr
viel Zeit in Anspruch nimmt und Rico erst einmal seine Schüchternheit zu Gunsten einer besserwisserischen Dampfplauderei ablegen muss, bevor er etwa den latenten Rassismus in alten
TKKG-Hörbüchern offenlegt. Andererseits spricht es für sich, wenn das inszenierte Ausdrücken eines Pickels samt künstlicher Eiter-Fontäne im Publikum in den ersten anderthalb Stunden die größten
Reaktionen hervorruft. Das ist zu wenig. Zumal Zärtlichkeiten mit Freunden weitaus mehr können, wie das Duo im weiteren Verlauf auch endlich zeigt.
Eines allerdings fehlt während der gesamten drei Stunden im Casino: Gute Musik. Seltsam, da die „bekannte Band“ in der Vergangenheit immer damit spielte, ihre Instrumente nur dilettantisch zu
beherrschen, um dann umso spektakulärer loszulegen. Ohne Cordula Zwischenfisch scheint dies aber nicht länger möglich zu sein – und Rico Rohs ist bei allem Mitleid mit seinem harten Leben im
Niemandsland zwischen Leipzig und Dresden einfach kein adäquater Ersatz. So bleiben Schlagzeug und Gitarre lediglich Dekoration, die „Mucker“ in ihrer Ohnmacht ohne Einsatz, sieht man einmal von
dem völlig verunglückten „Looking For Freedom“ ab. Dann doch lieber das Lied von der Oma. Das läuft wenigstens rund. Und rund. Und rund...
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