Wilfried Schmickler: Der Mensch kommt zuletzt

Am Anfang war das Wort. Und die Wirtschaft. Und das Geld. Danach all die anderen wichtigen Dinge im Leben: Autos, Essen, Waffen, Zellteilung. Immer weiter geht es so, bis die Aufzählung schließlich zum Ende kommt und nach all diesen Schlagworten auch das Letzte genannt werden darf. Der Mensch. Er, seine Rechte und seine Würde spielen ja nun wirklich keine Rolle mehr. Ein Grund mehr für Wilfried Schmickler, den angeblich so weisen Homo Sapiens in den Mittelpunkt seines neuen Programms „Das Letzte“ zu stellen. Bei der Bonn-Premiere im Pantheon stellt sich allerdings die Frage, ob es das wert ist – denn in seiner weitschweifigen Abrechnung mit Welt und Volk lässt der wortgewaltige Scharfrichter des deutschen Kabaretts nur wenig Gutes zu. Und dafür jede Menge Kritisches.

Mitunter scheint der Mensch in seiner Gesamtheit in Schmickler so etwas wie einen leichten Ekel auszulösen, auf jeden Fall aber ein deutliches Unbehagen. Es regt ihn auf, dass ein Plädoyer für das Schicksal der im Mittelmeer jämmerlich verreckenden Flüchtlinge zwingend einer Pointe bedarf, um Aufmerksamkeit und Applaus zu verdienen. Oder dass jeder mit Wonne und Wucht nach unten tritt, wohl wissend, dass es immer noch jemanden gibt, den man auf diese Weise treffen kann. Besser so als alle Menschen auf gleicher Augenhöhe zu haben. Das will doch wirklich niemand. „Wir wollen neben uns keine Sklaven sehen – höchstens unter uns“, sagt Schmickler und schlägt so den Bogen zu der ausbeuterischen Dienstleistungsgesellschaft. Kein sehr geschickter Themenwechsel, aber bei all den Problemen, die der 60-Jährige mit seinem unter Volldampf laufenden Kreuzzug kurz touchiert und nach ein paar bissigen Kommentaren in der Geschwindigkeit einer Maschinengewehrsalve links liegen lässt, fällt das nicht weiter auf. Streuverlust eben.

Vehement arbeitet sich Schmickler an allem ab, was ihm so unter die Finger gekommen ist: Internetsucht, Spionage-Barbie und Pixelfluten sind für den bekennenden Steinzeitnostalgiker ebenso ein Ärgernis wie die zunehmende Köttbullarisierung und die Aufwertung des Kölner Karnevals zum Weltkulturerbe. Dabei dienen diese eloquenten Abschweifungen letztlich nur der Erholung, bevor Schmickler sich wieder singend, lesend und deklamierend dem Leben der kleinen Leute widmet, die aus ihrer Perspektivlosigkeit heraus Flüchtlingswohnheime anzünden und den Untergang des christlichen Abendlandes postulieren. Natürlich nur, wenn dieses Fremdartige, Unbekannte einzudringen droht in die eigene illusorische Wohlfühlzone. „Das Problem wird ja erst zu einem Problem, wenn es direkt vor der eigenen Haustür existiert – und genau das ist das eigentliche Problem“, sagt Schmickler. Was weit weg ist, interessiert niemanden. Das gilt für Katastrophen und Kriege ebenso wie für deren Opfer. Empathie? Wozu? Gegen diese Einstellung kann Schmickler nur bittere Satire und tiefschwarzem Zynismus setzen. „Bekommen Leute, die aus dem brennenden Aleppo geflohen sind, Heimatgefühle, wenn auch hier die Heime brennen?“, fragt er. Autsch. Das tut weh. Was nur wieder beweist, dass am Ende selbst in einer waffenstarrenden, abgestumpften Welt das Wort nicht zu unterschätzen ist.

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