Torsten Sträter: Snickers im Mondlicht

„Wir kommen keinen Millimeter voran“, stellt Torsten Sträter resigniert fest. Stimmt. Wird wohl nix mehr mit dem Vorlesen. Es gibt einfach zu viele Ablenkungen. Klirrende Gläser, Fragen und Kommentare aus dem Publikum, und dazu all die Anekdoten, die sich zu einem verworrenen roten Faden zusammenfügen und überall hinführen. Nur nicht zu irgendwelchen Texten. Andererseits stört sich niemand wirklich daran: Die Abschweifungen des 49-jährigen Sprachkünstlers mit seinem schnodderigen Charme sind ohnehin das Beste, was dieser Abend im Pantheon zu bieten hat. Und auch wenn Sträter ab und zu behauptet, all das eigentlich gar nicht erzählen zu wollen, ist jeder froh, dass er es doch tut.

Sträters staubtrockener Humor blüht in jenen Momenten auf, in denen andere wahlweise entnervt den Kopf in den Sand stecken oder vor Wut feuerrot anlaufen. Der Mann mit der Mütze bleibt dann meistens ruhig oder tut zumindest in der Rückbetrachtung so, auch wenn alles aus dem Ruder zu laufen scheint. Da wird die Rückreise von Leipzig ins Ruhrgebiet aufgrund des Dauer-Bahnstreiks zur Odyssee, bei der auch mal die sonst allgegenwärtige Schweißfänger-Mütze den Kopf verlässt oder ein Bieter-Duell um einen Platz im Speisewagen entflammt, kostet der Horror-Trip in die Schweiz nicht nur den letzten Geldschein sondern auch noch so viel Nerven, dass der bekennende Schokoholiker sich nur dank der nussvollen Lebensmittelerotik eines nuttigen Schokoriegels im Mondlicht beruhigen kann, oder wird der Besuch im Auswärtigen Amt dank eines zu guten Weines zu einem mittelmäßigen Desaster – Sträter geht trotzdem hoch erhobenen Hauptes. So dünn kann das Eis gar nicht sein, dass der Mann mit der sonoren Stimme, der man wahrscheinlich alles verzeiht, nicht drüber laufen kann. Selbst Fäkalhumor und Peniswitze (die seltener zum Einsatz kommen als Sträter nach eigener Aussage gegenüber Frank-Walter Steinmeier in seinem Programm verordnet) bringen ihn nicht zu Fall, versteht der Pott-Poet es doch meisterhaft, trotz einiger plastischer Beispiele zwischen Bananen-Verstopfung und Natur-Ode nicht in die Peinlichkeit abzurutschen.

Leichte Schwächen zeigen sich lediglich dann, wenn Torsten Sträter wider Erwarten doch zum Lesen kommt. Erweist sich sein Diät-Tagebuch noch als gewohnt unterhaltsame Lektüre, bleiben die anderen Texte überraschenderweise ein wenig hinter dem zurück, was der Wortschmied sonst zu schaffen im Stande ist. Das von Fernseh- und Radiosendern abgelehnte Material besteht aus nur im Kontext unterhaltsamen Miniaturen und ein ominöser „Heimat“-Text aus konfusen, nur notdürftig zusammengeschusterten Fragmenten. Da hat Sträter stärkere Pfeile im Köcher. Andererseits, was soll's? Spätestens mit diesem Auftritt hat er allen Bonnern bewiesen, dass er auch die Fabulierkunst jenseits des Poetry-Slams meisterhaft beherrscht. „Ich frage mich manchmal schon, was ich eigentlich mache“, sagt er einmal, „politisches Kabarett ist es auf jeden Fall nicht“. Stimmt, auch wenn seine Ein-Satz-Skizze der Griechenland-Krise eine hervorragende Wort gewordene Karikatur darstellt. Was Sträter aber bietet, ist beste Unterhaltung mit atemberaubender Liebe zur deutschen Sprache. Dafür darf er dann auch ab und zu abschweifen.

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