Tim Burton: Das private Kabinett des Monstermachers

So ganz geheuer ist ihm die eigene Ausstellung noch immer nicht. Trotz enormer Erfolge in New York, Paris, Prag, Tokio und Osaka beschreibt sich Tim Burton, dessen Schaffen das Max-Ernst-Museum in Brühl seit diesem Wochenende als erstes Haus im deutschsprachigen Raum präsentieren darf, als zwiegespalten zwischen Faszination und Panik. „Es ist so, als würde man einem Fremden einen Blick in sein geheimes Kabinett gewähren“, sagt der Star-Regisseur über die ihm gewidmete Schau. „Eigentlich ist das alles hier privat.“

Wenn auch, wie er zugeben muss, das Interesse an seinem Œuvre und die Inspiration, die Besucher aus ihr ziehen, eine „wunderschöne Überraschung“ sei. Eine Überraschung? Wirklich? Immerhin gehört Burton zu den originellsten und kreativsten Vertretern seiner Zunft, Filme wie „Nightmare before Christmas“, „Batman“, „Beetlejuice“, „Edward mit den Scherenhänden“ oder „Alice im Wunderland“ haben allesamt Kultstatus erreicht. Es sollte daher kein Wunder sein, dass das Interesse an der über 600 Skizzen, Gemälde, Skulpturen und Storyboards umfassenden Ausstellung mit dem Titel „The World of Tim Burton“, die zusammen mit der unabhängigen Kuratorin Jenny He und der Produktionsfirma des 56-Jährigen ins Rheinland geholt wurde, gigantisch ist. Zu Recht: Burtons Kunst ist ebenso morbide wie fantastisch, so zynisch wie liebevoll. Es ist ein Panoptikum voller missverstandener Außenseiter, Gegenentwürfe zu den glatten, mit Klischees überzogenen Charakteren seines einstigen Arbeitgebers Disney. Monster, denen man sich dennoch verbunden fühlt, da sie Horror und Humor so geschickt miteinander zu vereinen verstehen.

„Monster waren immer die emotionalsten Figuren in einem Film“, erklärt Burton in der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung in Brühl seine Faszination, die sich schon in seiner Jugend manifestierte. Als Illustrator bei Disney war er damit letztlich fehl am Platz – er habe sich geknechtet gefühlt, erläutert Museumsdirektor Dr. Achim Sommer in seiner Einleitung, bis Burton sich schließlich befreit und selbst als einzig gültigen Maßstab gesetzt habe. „Sei dir immer selber treu“, sagt dieser kurz darauf. Stilistisch, aber auch beruflich. „Wenn ich nicht zeichnen dürfte, würde ich wahrscheinlich im Gefängnis sitzen“, antwortet er scherzhaft auf eine Frage aus dem Publikum. Doch er darf. Und er macht. Überall zeichnet er, auf Papierservietten, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind, oder auch mal spontan mit Schwarzlichtfarbe auf einer Wand des Museums. „Das hat er nur bei uns getan“, freut sich Sommer, der die Ausstellung zugleich als Geschenk zum zehnjährigen Bestehen des Museums verstanden haben will.

Schon im Erdgeschoss lässt sich ein Werk Tim Burtons an prominenter Stelle finden: Drei seiner Kreatur-Skulpturen stehen inmitten eines ansonsten Max Ernst gewidmeten Raumes und beschwören damit eine gewisse Verbundenheit zwischen dem Surrealisten und dem Meister des Skurrilen. Die restliche Ausstellung ist in verschiedene Themenbereiche gegliedert, die sowohl die berühmten Filmfiguren als auch großformatige Polaroids, figurative Arbeiten und nicht verwirklichte Projekte umfassen. Vor allem die zahlreichen brillanten Skizzen zeugen dabei von einer herausragenden Phantasie, einem scharfen Witz und dem burtonesken Hang zur Morbidität, der sich weder Kunst- noch Filmliebhaber entziehen können. Manchmal lohnt sich eben doch der unverfrorene Blick in das ein oder andere private Künstler-Kabinett. 

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