„Scattered Lungs“: Atmen in ekstatischer Verkrampftheit

Was suchen wir in einem Partner? Jemanden, mit dem man sich austauschen kann, Worte, Gedanken, Emotionen und mehr gleichberechtigt teilt? Diese Frage soll im Mittelpunkt der Tanzperformance „Scattered Lungs“ stehen, die jetzt im Theater im Ballsaal ihre Premiere feierte. Als Solo über die Suche nach Zweisamkeit in Zeiten von Online-Datingportalen wie Tinder oder Elitepartner wird es angekündigt – doch davon ist letztlich nichts zu sehen. Keine digitale Welt, keine Projektionen begleiten die Darbietung der isländischen Tänzerin Tanja Marin Friđjónsdóttir, die nach einer langen gesprochenen Einführung eher getanztes Atmen denn atmendes Tanzen präsentiert, nervös wirkende abgehackte Bewegungen ohne erkennbaren Bezug zu Fragestellung und Thema. Alles dreht sich um die Lungen, die, so heißt es zu Beginn, für einen kontinuierlichen Austausch mit der Welt sorgen. Eine Funktion, die durch das Internet zunehmend gestört wird.

So faszinierend die Idee von Regisseur und Choreograph Werner Nigg auch ist, so unkonkret bleibt doch die Umsetzung. In beständigen Wiederholungen mit nur kleinen Variationen gefangen wird Friđjónsdóttir erst mit der Zeit dynamischer und lebendiger, nimmt zu Techno-Klängen Fahrt auf und bricht dann doch nur wieder und wieder zusammen. Ein Leben zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt? Vielleicht. Diese Gefühlsachterbahn wird ohnehin durch die fehlende Zwischenmenschlichkeit potenziert – und doch muss erneut darauf hingewiesen werden, dass die im Programmtext aufgeführten Social-Media-Portale in der Choreographie keinen Platz finden. Ebenso wenig wie ein Partner. Lediglich ein Dummy liegt im Raum und wird kurzfristig zum Spielball Friđjónsdóttirs, die sich mit ihm in ekstatischer Verkrampftheit über den Boden wälzt, bevor sie in einer minutenlangen Mischung aus Lachen, Weinen und Stöhnen zum akustischen Höhepunkt gelangt. So kommen denn erstmals auch die Lungen zu Wort, die zu Beginn des Stücks durch zwei Kisten symbolisiert werden und die danach relativ nutzlos im Raum stehen, ungeteilt und tot. „Am Ende bekommen wir, was wir geben“, sagt Friđjónsdóttir in ihrer Einführung. Das Premierenpublikum stimmt zu und spendet freundlichen, aber auch ziemlich irritierten Applaus.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0