Rebekka Bakken: Gifttropfen und Reibeisenwucht

Kehlig, knarzend, keifend, quäkend: So hat man Rebekka Bakken bei aller ihr zugestandenen Wandlungsfähigkeit wahrscheinlich noch nie gehört. Doch die rumpelnd-poetischen Songs des Reibeisenbarden Tom Waits, die die Norwegerin jetzt zusammen mit der hr-Bigband in der Philharmonie Köln präsentiert hat, erfordern nun einmal einen rauen, rauchigen Sound – und den lieferte die 45-jährige Sängerin mit atemberaubender Stimmkunst sowie einer sicht- und hörbaren Lust an den mitunter schmerzhaft schönen, oft aber auch bewusst gebrochenen Melodien, die die von Waits skizzierten Schicksale der Schattenexistenzen spiegeln.

Eine eindringliche Darbietung, die im leider nur mäßig besetzten Saal für große Begeisterung sorgte und Bakken, die ohnehin die markanteste Stimme aus der Riege der skandinavischen Jazz-Vokalistinnen besitzt, als wahrhaft einzigartig herausstellte.

Die hr-Bigband unter ihrem Leiter Jörg Achim Keller, der auch für die exzellenten Arrangements verantwortlich ist, gab Bakken genau das, was sie brauchte: Einen fast schon sinfonischen Klang, der den Charakter der Waits-Songs emuliert, ohne dabei den Gesang zu überdecken. Nur am Anfang des Konzerts, ausgerechnet beim wunderschönen „Yesterday Is Here“, blieben die Frankfurter hinter ihren Möglichkeiten zurück, waren noch nicht ganz präsent, spielten zu brav und zu gemütlich. Doch schnell fanden sie die nötige Balance zwischen bluesgeschwängerter Wucht, orchestrierter Dissonanz und feiner Zurückhaltung, die sich nicht zuletzt in einigen schönen Soli ausdrückte. Und Bakken? Röhrte wie der Teufel („Just The Right Bullet“), gurgelte Vokale, rollte das R, verspritzte ab und an gar einen kleinen Gifttropfen („A Little Drop Of Poison“), griff also tief in die Trickkiste des klassischen Chansons. Stück für Stück schlüpfte sie in die jeweils passende Rolle – und kam vielleicht deswegen Tom Waits so nahe, der selbst immer wieder gerne mit seinem Image spielt. Bakken knüpfte daran an, singt seine Songs, ohne zu kopieren, machte sie vielmehr zu ihren eigenen und trieb augenzwinkernd nach der Pause mit einer Glitzerrobe den Kontrast zwischen der zarten Elfe und dem abgewrackten klingenden Vortrag in die Höhe. Die größte Wirkung erzielte Bakken aber trotz allem dann, wenn sie die Maske auf das Nötigste reduzierte: Bei der herrlich verletzlichen „San Diego Serenade“, dem wehmütigen „I Wish I Was In New Orleans“ oder der Zugabe „Time, Time, Time“, die sie ganz allein und barfuß am Klavier präsentierte. Das Publikum dankte ihr und der hr-Bigband denn auch mit ausgiebigem Applaus.

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