Nils Wülker: Duett aus Blech und Stimme

Auf der einen Seite eine rauchig-hauchige Stimme, whiskeyschwanger und gelassen, auf der anderen eine samtig-weiche Trompete, verträumt und präsent zugleich: Es ist dieses Duett in Nils Wülkers Komposition „Season“, bei dem er und Sänger Rob Summerfield so eng harmonieren wie nie zuvor an diesem Abend in der Bonner Harmonie und damit zeigen, wie lyrisch das Spiel des 37-Jährigen in den vergangenen paar Jahren geworden ist, wie liedhaft und einfühlsam. Einfach schön. Auf dem aktuellen Album „Up“, das innerhalb weniger Monate Goldstatus erreicht hat, hat Wülker daher die logische Konsequenz aus dieser Entwicklung gezogen und für einige seiner eleganten Stücke Gastsänger eingeladen, darunter Max Mutzke, Jill Scott und Xavier Naidoo. Ihre Parts übernimmt nun eben Summerfield, der gefühlvoll den wunderbaren, schnörkellosen Melodien folgt. Und jeden einzelnen Titel zu einem Genuss macht.

Doch auch ohne Gesang verfliegt der besagte liedhafte Charakter nicht. Er wird lediglich umgewidmet. Wülker, der schon länger als einer der besten Jazztrompeter Deutschlands gehandelt wird, liebt diese klare Linienführung. Er muss nicht immer beweisen, was er alles kann, muss nicht komplexe Rhythmus- und Harmoniewechsel am laufenden Band generieren und sich in abstrakte Klangwelten flüchten, in die ihm nur die Wenigsten zu folgen vermögen. Stattdessen versucht er, seine Zuhörer zu berühren – und in seiner Heimatstadt gelingt ihm das ohne Probleme. Nicht zuletzt dank einer herausragenden Band, die elegant und gelassen mal sphärisch feine Netze weben, nur um kurz in Richtung Funk zu wandern. Wülker gibt seinen Freunden und Kollegen dafür den nötigen Raum, tritt auch gerne mal in die Schatten und lässt seine Leute zaubern: Edward Maclean greift dann tief in die Saiten seines Kontrabasses, der sonst eher zurückhaltende Lars Duppler in die Tasten. Und Gitarrist Arne Jansen lebt richtig auf, als er bei dem eigentlich locker-flockigen „Safely Falling“, einer schon etwas älteren Nummer, so richtig aufdrehen darf und ein Solo zum Besten geben kann, das jeder Rockband zur Ehre gereicht hätte. Da kann sich auch Drummer Simon Gattringer ein Grinsen nicht verkneifen, während er sein Instrument bearbeitet. Als dann noch Wülker wild röhrend hinzustößt, wirken die Stühle im Zuschauerraum vorübergehend fehl am Platz. Was für ein Vergnügen.

Die bunte Mischung steht Wülker und seiner Band sehr gut zu Gesicht, ist sie doch noch abwechslungsreicher als vor zwei Jahren auf der oft schwerelosen „Just here, just now“-Tour. Die  ätherischen Balladen sind immer noch im Repertoire, schon das eröffnende „Dawn“, von einem Sonnenaufgang über Los Angeles inspiriert, sorgt für eine beeindruckende Ruhe. Doch dem stehen vermehrt Up-Tempo-Nummern gegenüber, etwa das mit leichten Toto-Anklängen versehene „A Fine Line“ oder das tatsächlich an die Disco-Ära erinnernde „Three Grains Of Saffron“, bei dem auch Summerfield wieder mit von der Partie ist. Zugleich ist festzuhalten: Die Vorwürfe mancher Kritiker, Wülker würde sich dem Jazz ab- und dem Pop zuwenden, haben sich durch dieses Konzert als haltlos erwiesen. Jazz muss eben nicht kompliziert sein. Das Publikum genießt das und dankt Wülker und seiner Band nach fast zwei Stunden ohne Pause mit einem atemberaubenden Applaus.

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