Neele Kramer: Liebeslieder der anderen Art

So so. „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.“ Ja, das singen viele. Vor allem in der Post-Tower-Lounge, die während des Beethovenfests schon seit Jahren immer wieder attraktive Sängerinnen zu einem Chanson-Abend einlädt, hat dieser Titel Friedrich Hollaenders eine gewisse Tradition. Jetzt eröffnet die Mezzosopranistin Neele Kramer, begleitet von Pianist Philipp Heiß, damit ihr Programm „Tell me the truth about love“, hell trällernd und selig lächelnd. Man hört der gebürtigen Hannoveranerin die Opern-Ausbildung in jedem Ton an; vor allem in den Höhen erklingt jenes spezielle Vibrato, das zu Arien so gut passt. Zu Chansons leider weniger.

Keine Frage, Kramer macht ihre Sache hervorragend, schlüpft mitunter gar in die Rollen der Lied-Protagonistinnen, setzt auf kurze Sprechakte bei Kurt Weills „Barbarasong“ oder dem „Lied vom Surabaya-Johnny“ (beide mit Texten von Bertolt Brecht). Doch so ganz nimmt man ihr die Schauspielerei nicht ab, zumal das gesamte Konzert eher den Charakter eines klassischen Liederabends denn einer verruchten Revue hat. Eine Interaktion mit dem Publikum, wie sie etwa die lange in Bonn wohnende Chanson-Sängerin Adrienne Haan sehr intensiv pflegt, fehlt bei Kramer völlig; selbst die Moderation, die ausschließlich Heiß übernimmt, wird auf das Nötigste beschränkt. Keine Laszivität, keine Erotik, kein Feuer sprüht von der Bühne. Die 30-Jährige kommt, steht, singt und geht. Zugegeben, das tut sie mit perfekter Intonation und vielseitiger Stimme. Doch Ausdruck verlangt mehr.

Immerhin hat das Duo Stücke im Repertoire, die in einem klassischen Chanson-Programm nicht auftauchen: die „Cabaret Songs“ von Benjamin Britten und W.H. Auden ebenso wie die des US-Komponisten und Pulitzer-Preisträgers William Bolcom. Großartig vor allem „Song of Black Max“, eine Ballade über eine dämonische Figur im Rotlicht-Viertel Rotterdams, die Kramer und Heiß herrlich knackig und punktgenau darbieten. Auch das für den Programmtitel verantwortliche „Tell me the truth about love“ wirkt erfreulich leicht. So können Kramer und Heiß den Abend doch noch mit einem Höhepunkt enden lassen. Das Publikum dankt es ihnen mit herzlichem Applaus. 

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