„Gut Genug“: Der ganz normale Elternwahnsinn

Eigentlich wollten Frau Ragotsky und ihr Freund A.C. ein ganz normales Leben führen. Ein unabhängiges, lässiges, freies Leben. Bis Flo kam. Oder Floh, je nachdem. Dieser Winzling, der alles verändert, schon bevor er tatsächlich da ist. Der Ängste, Freude und Frustration auslöst und das Pärchen auf der Bühne des Euro Theater Central an den Rand der Verzweiflung treibt. Und mitunter auch darüber hinaus. Eltern werden ist nicht schwer? Doch, beim ersten Mal schon. Und so kämpfen sich Frau Ragotsky und A.C. eben durch den Dschungel von Voruntersuchungen, Atemübungen und vermeintlich hilfreichen Erziehungsratgebern, ständig bemüht, es auch ja gut zu machen. Oder zumindest – so der Titel des jetzt gezeigten Stücks von Birgit Vanderbeke – „Gut Genug“.

Regisseurin Laura Tetzlaff lässt ein skurriles, lustiges und bei mancher Überzeichnung doch durchaus realistisches Szenario entstehen, in dem die beiden Schauspieler Lisa Wildman und Felix Jeiter mit sichtlichem Genuss aufgehen. Er der eher gemütliche Typ, sie im Wechselbad der Gefühle, ständig wechselnd zwischen Panik und Burschikosität. Denn jetzt muss man sich auf einmal festlegen. Auf eine Drei-Zimmer-Wohnung zum Beispiel, und auf eine gemeinsame Zukunft mit A.C. Vielleicht wäre eine Abtreibung doch einfacher? Damit erspart man sich immerhin all diese Urinproben beim Arzt und einen Schweißausbruch nach dem anderen. „Das macht einen so erbärmlich“, sagt Ragotsky. Und entscheidet sich doch für das Kind.

Gemeinsam steht das unerfahrene Elternpaar alles durch. Das Weihnachtsessen mit der Familie, die nie um einen guten Rat verlegen ist und damit vor allem die werdende Mutter, dank der Hormone ohnehin leicht erregbar, immer wieder auf die Palme bringt. Den Geburtsvorbereitungskurs, bei dem nicht nur das Atmen sondern auch die Sinnlichkeit neu entdeckt werden soll. Dann die Geburt – und schließlich eine ganz neue Art von Terror. Noch mehr Familie. Und ein schreiendes, winziges Etwas, das aus unerfindlichen Gründen dunkelrot anläuft, eine Kinderärztin in eine Art Blutrausch versetzt und jedem Gedanken an Schlaf erst einmal eine kategorische Absage erteilt.

Erfreulicherweise bleibt die Komödie dabei unverkrampft und rutscht auch nicht in eine Comedy-Peinlichkeit ab – was im Euro Theater auch nicht zu erwarten gewesen wäre und nicht zuletzt den großartigen Darstellern zu verdanken ist, die ihre Rollen vielfältig und plastisch gestalten. Lisa Wildman spielt mit bemerkenswerter Energie und Ausdrucksstärke die werdende und später seiende Mutter, während Felix Jeiter sich besonders wandlungsfähig zeigt und zum Beispiel innerhalb von Sekundenbruchteilen zwischen dem beruhigend auf seine Partnerin einwirkenden A.C. und deren aufgedrehter, anstrengender Schwester Ali zu wechseln versteht. Das perfekt aufeinander abgestimmte Duo sorgte so für einen fantastischen Theaterabend voller schallendem Gelächter und so manchem zustimmenden Nicken. Ja, auf das personifizierte Chaos der ersten Elternschaft gibt es eben keine Vorbereitung. Aber zumindest mit etwas Abstand schreibt es immer wieder einige der besten Anekdoten.

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