„Glück“: Publikum im Bingo-Rausch

Liegt das Glück wirklich in einem Krapfen? Ist der kurzzeitige Dopamin-Schwall, der durch das Verzehren dieser frisch zubereiteten Köstlichkeit ausgelöst wird, tatsächlich die Lösung für Niedergeschlagenheit und Trauer? Eine Antwort darauf wollen auch die drei Schauspieler des Fringe Ensembles nicht geben, die jetzt im Theater im Ballsaal eine Art Happening mit dem Titel „Glück“ in Szene gesetzt haben. Aber ein paar mögliche Sichtweisen, die geben sie schon. Zusammen mit dem Publikum, das sich, auf im Raum verteilten Stühlen platziert, einer Mitwirkung kaum entziehen kann, suchen Justine Hauer, Nicole Kersten und Andreas Meidinger nach diesem zentralen Gefühl. In der Küche, am Meer, im Garten, im Bett. Überall, wo vielleicht für einen kurzen Augenblick das flüchtige Glück gefunden werden kann. Nur an die tiefen, in der Seele verankerten Sehnsüchte trauen sie sich nicht heran.

So bleibt das Stück ganz bewusst an der Oberfläche, was auch den auftretenden Figuren entgegenkommt. Denn sowohl Playboy und Daueroptimist Rolf Eden (Andreas Meidinger), in der Inszenierung kurzerhand Ernst genannt, sowie Glücksspielkönigin Annemarie (Nicole Kersten), die an einem Wochenende mal gerade eben im Schweiße ihres Angesichts und kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehend über 1000 Einsendungen für Preisausschreiben abfertigt, definieren Glück über materiellen (und im Falle Edens sexuellen) Gewinn. In Hasenkostümen müssen sie prompt über ein Bingofeld wandern, er aus seiner Autobiographie lesend und sie Tipps für erfolgreiche Gewinnspielteilnahmen verratend, während das Publikum fröhlich Zahlen abhakt und, so signalisieren es zumindest die zunehmend lauter und erregter klingenden Rufe, der Jagd nach dem Glück bereits verfallen. Lediglich eine namenlose Kroatin (Justine Hauer) will mehr: Sie spricht mit den Zuschauern, fragt sie über ihre Glücksmomente aus, sucht nach Orten, an denen man sich wohlfühlen kann, nach Tätigkeiten wie dem Backen besagter Krapfen.

Mit einem klassischen Theaterstück hat „Glück“ somit nichts zu tun. Der performativ-interaktive Charakter fordert vom Publikum, selbst etwas zu tun für ein kleines bisschen Euphorie – darauf muss man sich erst einmal einlassen. Ebenso wie auf die Banalitäten, die gerne als Glück dargestellt werden und die samt entsprechender Texte einen großen Teil der Darbietung ausmachen. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn das Fringe Ensemble hier ein bisschen tiefer gegraben hätte. Glück sollte schließlich mehr sein als Krapfen und Bingo. 

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