Ohne Johnny geht es nicht. „Sein Geist wird immer bei mir sein“, sagt sein Bruder Edgar Winter über den im vergangenen Jahr verstorbenen legendären Gitarristen – und setzt ihm bei seinem Auftritt in der Harmonie ein eindrucksvolles Denkmal. Energiegeladen und kraftvoll jagt der 69-Jährige mit den markanten schneeweißen Haaren (wie Johnny kam er mit Albinismus zur Welt) unterstützt von einer exzellenten Band durch zahlreiche Blues- und Rock-Nummern, die mitunter ausgiebig die Musikgeschichte von Led Zeppelin bis zu The Who zitierten und doch im Kern weitgehend auf Winters eigenen Kompositionen beruhen.
Diese Mischung kommt im Publikum hervorragend an, zumal der früher introvertiert wirkende Winter, der lieber seinem Bruder Johnny das Rampenlicht überließ, eine eindrucksvolle Performance bietet,
das Publikum anfeuert, sich an den Bühnenrand hockt und sowohl mit seiner die Höhen beherrschenden Stimme als auch mit leidenschaftlichem Scat-Gesang zu überzeugen versteht.
Den setzt Winter gleich in drei aufeinanderfolgenden Stücken ein. Immer mündet es in einem call-and-response-Duell, zunächst mit dem herausragenden Gitarristen und Co-Sänger Doug Rappoport,
später dann mit Bassist Koko Powell und Drummer Jason Carpenter. Winter legt vor, die anderen müssen ihm folgen. Was leichter gesagt als getan ist: Der Scat-Tornado stellt hohe Ansprüche an die
drei Musiker, ohne sie aber vor unlösbare Aufgaben zu stellen. Dafür kennt sich der Multiinstrumentalist viel zu gut aus, der zwar vor allem als Keyboarder und Saxofonist bekannt wurde, aber
unter anderem auch Bass und Schlagzeug beherrscht. Vor allem in „Frankenstein“, Winters populärstem Stück, kommt dies zum Tragen, jagt der Schöpfer dieses Monsters mit Wonne über die Tasten des
von ihm erfundenen umgehängten Synthesizers, dann über die Klappen des Saxofons und schließlich über ein paar zusätzlich aufgebaute Toms, um in eine kleine Drum-Battle mit Carpenter einzusteigen.
Beeindruckend.
Doch auch wenn es das Konzert der Edgar Winter Band ist, „Free Ride“ ebenso das Stück des weißhaarigen Rockers ist wie „The Power Of Positive Drinkin'“ und selbst die Cover-Version von „Tobacco
Road“ zu seinen Markenzeichen gehört – Johnny Winter, der ziemlich genau vor drei Jahren das letzte Mal auf der Bühne der Harmonie stand, ist omnipräsent. Für seinen Bruder war und ist er das
große Vorbild, eine prägende, ja fast schon ihn definierende Gestalt. So ist es kein Wunder, dass zum Abschluss mit dem von Rick Derringer geschriebenen „Rock And Roll, Hoochie Koo“ einer der
bekanntesten Songs Johnny Winters erklingt – und auch das Rolling-Stones-Cover „Jumpin' Jack Flash“ gehört eigentlich eher zu dessen Repertoire. Die Hommage gelingt jedoch, nicht zuletzt dank der
Brillanz Rappoports und der intensiven Stimme von Edgar Winter. Der kann es eben. Auch alleine.
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