Andreas Thiel: Die Farben der Satire

Satire darf alles, hat Kurt Tucholsky 1919 noch propagiert. Eine Aussage, der sich Andreas Thiel bedingungslos anschließt. Der Schweizer mit der auffälligen Irokesenfrisur, der im vergangenen Jahr mit seiner islamkritischen, polemischen und argumentatorisch tatsächlich fragwürdigen Streitschrift „Der Schatten des Ostens“ in der Weltwoche für Schlagzeilen gesorgt hatte, liebt die Provokation – kann aber auch verhältnismäßig brav sein, wenn es denn der Sache dient. Im Pantheon Casino rechnet er etwa mit seiner Kindheit auf der Waldorfschule ab, ein harmloses Thema, das dank Strafeurythmie, Rückführungsstunden und roten Fröschlein überaus amüsant präsentiert werden kann und so für eine kleine Verschnaufpause zwischen den geharnischten Abrechnungen mit Heimat, Religion und Weltpolitik sorgt.

Man kann Thiel vieles vorwerfen, doch auch wenn seine Satire mitunter die Grenzen des guten Geschmacks tangiert (und mit einer vermutlich von Mengele inspirierten Aussage über Tierversuche und Juden diese sogar deutlich überschreitet), weiß er doch grundsätzlich sehr genau über ihr Wesen Bescheid. „Wenn jemand über einen Satiriker nicht lachen kann, dann hat dieser nicht getroffen“, sagt Thiel. Ein guter, wenn auch zweischneidiger Satz, bleibt doch die Qualität der überzeichneten Aussagen außen vor. Egal: Legt man diesen Maßstab an, hat der extrovertierte selbsternannte Anarchist in Bonn zwar durchaus ein paar Mal sein Ziel verfehlt, es aber weitaus häufiger erwischt. Vor allem seine Analyse von Satire und Humor an sich ist brillant, während die Auseinandersetzungen mit Todesstrafe, Atomstrom und Volksabstimmungen höchstens daran kranken, dass die von ihm ins Spiel gebrachten Politikerinnen außerhalb der Schweiz weitgehend unbekannt sind und die fiktiven Dialoge in ihrer Darbietung mitunter etwas zu steif wirken. Dagegen leiden die Versuche, das Publikum mit Vergleichen zwischen Koran und „Harry Potter“ oder „Mein Kampf“ und dem Schweizer Telefonbuch zu schockieren, an mangelnder Finesse und nachhaltigen Erkenntnissen. Ja, man kann alles miteinander vergleichen. Doch wie auch bei der Satire besteht ein essentieller Unterschied zwischen dürfen und sollen. Manchmal ist Zurückhaltung der bessere Weg.

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