„Under Milk Wood“: Ein Dorf voller Träumer

Nacht. Alles schläft. Und träumt. Von der heimlichen Geliebten, von Schafen, von Geistern, von trinkbaren Fischen, von der langsam und qualvoll sterbenden Ehefrau. Die üblichen Themen in einem kleinen walisischen Weiler namens Llareggub, der erst rückwärts gelesen an Bedeutung gewinnt. Es folgt ein ganzer Tag voller Dorfgeschichten, die Dylan Thomas in seiner meisterhaften Prosa in dem ursprünglich als Hörspiel konzipierten „Under the Milk Wood“ skizzierte. Nun haben sich die Bonn Players unter der Regie von Kathleen Schroers dieses Stoffes angenommen und ihn in der Brotfabrik auf die Bühne gebracht: Ein liebevoll-skurriles Panoptikum von Wünschen, Hoffnungen, Gerüchten und Anekdoten, das allein durch die herrliche Sprachgewalt begeistert. Wenn man dieser denn zu folgen vermag.

Nein, leicht ist es nicht, den Thomas'schen Zeilen zu folgen, die mit Anspielungen, Metaphern und Wortwitzen derart vollgestopft sind, dass selbst Muttersprachler an der ein oder anderen Stelle ins Schwitzen kommen könnten. Auch die immerhin fast 60 Charaktere des Stücks, die geschickt auf elf Mitwirkende aufgeteilt wurden, sich oft aber noch nicht einmal durch verschiedene kleine Accessoires voneinander abheben, sorgen mitunter für Verwirrung. Doch die Mühe lohnt sich, zumal die Bonn Players alles daran setzen, selbst bei der Einbeziehung von Akzenten eine klare Aussprache zu wahren und zumindest die Hauptfiguren deutlich hervorzuheben. Durch geschickte Umgruppierungen auf der schlichten, aber effektiven Bühne, die vor allem durch ein schönes Licht ihre Wirkung entfaltet, gewähren sie einen Blick in die Häuser und die Köpfe des 500-Seelen-Dorfs. So sieht das Publikum unter anderem den blinden Captain Cat, der in wachem Zustand trotz des fehlenden Augenlichts über nahezu alle Ereignisse in Llareggub bestens informiert ist und nachts von seiner ertrunkenen Mannschaft besucht wird; die Gästehaus-Besitzerin Mrs. Ogmore-Pritchard, die aus Gründen der Reinlichkeit keinen Gast akzeptiert und in ihren Träumen ihre beiden verstorbenen Ehemänner herumkommandiert; den Orgel-Fanatiker Organ Morgan; den Schlachter Beynon, der seine Ehefrau damit aufzieht, dass er jedes Fleisch verkauft, das ihm unter die Finger kommt; den dichtenden Reverend Eli Jenkins; und die von vielen Männern geschwängerte Polly Garter, die gerne – und mit einer warmen Stimme – von der wahren Liebe singt. Die Bonn Players schlüpfen dabei, geleitet von einer Reihe von Erzählern, mühelos von einer Rolle in die nächste. Viel zu spielen gibt es dabei nicht, der Radio-Charakter des Stücks erfordert eher Sprachgewandtheit denn große Gesten. Doch gerade diese Aufgabe meistern die Bonn Players mit Bravour. Liebhaber der englischen Literatur sollten sich die kommenden Aufführung daher nicht entgehen lassen.

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