Bobby McFerrin & Chick Corea: Chorstunde mit Jazzlegenden

Eine Jam-Session soll es sein, bei der jeder mitmachen kann, wenn er nur will. Und sich traut. Denn wenn auf der Bühne der Philharmonie Köln mit Vokalkünstler Bobby McFerrin und Piano-Großmeister Chick Corea zwei Jazz-Legenden sitzen, deren Improvisationskunst man mit einem gewissen Maß an Ehrfurcht lauscht, erfordert er einiges an Mut, um sich dazuzugesellen. Doch das Duo, das im Rahmen seiner aktuellen Europatour am vergangenen Freitag in der Domstadt war, meinte das Angebot ernst – und schaffte es tatsächlich, sowohl das Publikum in seiner Gesamtheit als auch drei Solisten zu motivieren, das Konzert zu bereichern.

Der Durchbruch gelingt mit „Smile“. McFerrin, der ohnehin immer wieder auf die Partizipation des Publikums setzt, sucht für diesen Standard jemanden, der ihm den Text in Erinnerung rufen und die Strophen singen kann. Die Dame, die er schließlich findet, ist zwar auch nicht gerade textsicher, intoniert die Melodie dafür aber um so selbstbewusster. Damit ist der Knoten geplatzt: Als Chick Corea direkt im Anschluss vom gesamten Saal einen fünfstimmigen Akkord hören will, vibriert die Philharmonie unter dem Klang hunderter Stimmen, die mit Leidenschaft auf den 74-jährigen Tasten-Virtuosen hört und jede noch so komplexe Phrase zu imitieren versucht. Corea ist erfreut, ebenso wie McFerrin, der die Chorstunde fortsetzt: „Die sind richtig gut. Die singen alles“, sagt er, nachdem er die Grenzen des Kölner Publikums ausgelotet hat. Stimmt.

Immer offener wird das Publikum, immer entspannter. Und immer mutiger. Beim Aufruf zum Piano-Jamming mit Chick Corea kann sich ein Mann gar nicht schnell genug melden, eilt zum Flügel und sorgt mit seinem Können ebenso für Begeisterung wie ein anderer, der mit Bobby McFerrin in die Vokalimprovisation einsteigt und irgendwo zwischen Bossa Nova und arabischen Gesängen seine Wohlfühlzone findet. Beeindruckend. Die Ausstrahlung der beiden männlichen Jazz-Musen scheint Wirkung zu zeigen. Dementsprechend begeistert zeigt sich das Publikum, bejubelt die Abenteurer aus den eigenen Reihen fast noch mehr als die beiden großen Künstler, die mit dieser Art von Programm schon seit Jahren unterwegs sind und neue Wege in die Musik öffnen. Für sich und für andere. Nicht umsonst sind ihre Interpretationen von „Autumn Leaves“ oder „Spain“, die natürlich auch in der Philharmonie erklingen, für viele Jazz-Improvisateure zum Maßstab geworden. Und nicht umsonst wird der Abend in Köln allen Anwesenden noch lange in Erinnerung bleiben. Diese Spielfreude, diese Energie, diese Leidenschaft und die Fähigkeit, all das weiterzugeben – das verdient wirklich den Begriff „legendär“.

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