Red Bull Flying Bach: Powermoves im Menuett

Strenge Form trifft auf ungestümen Tanz, barocke Musik auf moderne Hip-Hop-Moves: Die vielfach prämierte Show „Red Bull Flying Bach“ der Berliner Urban-Dance-Crew Flying Steps setzt auf Kontraste, auf Grenzüberschreitungen und auf die Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart. Letztlich ist es die Tanz gewordene Kunst des Kontrapunkts, eine Visualisierung jenes Konzepts, das die Musik Johann Sebastian Bachs wie einen roten Faden durchzieht. Die beeindruckende Performance war nun nach 2013 zum zweiten Mal im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ in Bonn – und hat einmal mehr das Publikum zu Jubelstürmen hingerissen.

Mit spektakulären Choreographien erzählen die Flying Steps die Geschichte einer Ballerina, die von den energiegeladenen, freien Bewegungen der Breakdancer fasziniert ist und eine Synthese zwischen der von ihr gepflegten durchstrukturierten Eleganz und dem wilden Straßentanz sucht. Zwei Extreme, die doch miteinander harmonieren können: Hier die idealisierte Ästhetik mit ihrer Formstrenge, dort die lässig erscheinende Demonstration von Kraft und Beweglichkeit als Mittel der Selbstbehauptung und der Rebellion. Stile, die sich durchaus kombinieren lassen, auch wenn es, wie das Beispiel der anfangs geohrfeigten und danach stellenweise eingeschüchterten Ballerina zeigt, eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellt. Erst durch die Bemühungen einiger Breakdancer, die die hübsche Tänzerin hofieren, sie lehren und sich zugleich auf sie einlassen, lässt sich das Dilemma auflösen. Über all dem erklingen Bach-Fugen, Präludien und Menuett-Ansätze, teils live von Piano oder Cembalo gespielt, teils aber auch mit fetten Beats über die Boxen geschickt. Das passt, zumindest weitgehend. Nur an einigen wenigen Stellen, leider auch im viel zu lauten und unnötig wummernden Toccata-Finale, haben es die Brüder Ketan und Vivan Bhatti mit ihren elektronischen Auswüchsen etwas übertrieben.

Dabei brauchen die Flying Steps diese aufgemischten Klänge noch nicht einmal, um eine atemberaubende Show zu präsentieren. Die vom Publikum immer wieder besonders gefeierten akrobatischen Powermoves passen mitunter auch zum Menuett, die spektakulären Headspins zu virtuosen Sechzehntelläufen – und die fast schon mechanisch wirkenden Poppings und Lockings ohnehin zu allem, was das „Wohltemperierte Klavier“ zu bieten hat. Letztere verwendet die Crew unter anderem für eine Visualisierung der Fuge, überträgt das Prinzip von Thema, Wiederholung und Variation auf die Bewegungen von Armen und Beinen – beinahe ein didaktisches Vorgehen. Dann wieder explodieren die Tänzer förmlich, fliegen durch die Luft, wirbeln von der Schwerkraft befreit über die Bühne – und erhalten so am Ende des 75-Minuten-Programms völlig zu Recht stehende Ovationen.

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