Herbert Grönemeyer: Hüftschwung mit Kartoffelpuffer

Da tanzt er wieder, wiegt die Hüften, im Moment versunken, und blickt in ein Meer aus Gesichtern. Für 14 Euro im Jahr könne man seinen Stil auch lernen, scherzt Herbert Grönemeyer, diese Leichtigkeit, diese Eleganz, mit der er über die Bühne schwebt. Es ist einer von mehreren selbstironischen Momenten in den Bonner Rheinauen, wo der leidenschaftliche Kryptiker das erste Open-Air-Konzert seiner aktuellen „Dauernd Jetzt“-Tour spielt. Grönemeyer der Große, der Schiffsverkehr-Förderer und Himmelsstürmer, den man einfach nicht kopieren kann. Höchstens parodieren.

Grönemeyer legt es aber auch immer wieder darauf an, spielt längst genüsslich mit seinem Image als „Gröl-Flummi aus dem Pott“, wie ihn ein Berliner Journalist erst neulich augenzwinkernd titulierte. Die Fans lieben ihn dafür nur um so mehr: Gut 25.000 Besucher sind an diesem Samstag in die Rheinauen gekommen, nicht auf den KunstRasen unterhalb des Post-Towers (dessen Saison beginnt erst am 18. Juni), sondern auf die große Blumenwiese, auf der sonst nur Großveranstaltungen wie etwa Rhein in Flammen stattfinden, aber keine Einzelkonzerte. Bis jetzt. Denn Dirk Dötsch, Pächter des Parkrestaurants Rheinaue, konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Grönemeyer zu präsentieren, auch wenn der drei Tage zuvor schon die Lanxess Arena in Köln bis an den Rand gefüllt hat. Die Kalkulation ist aufgegangen, der Platz ist voll, die Menge begeistert. Auch Grönemeyer scheint sich wohlzufühlen. Nur ein wenig hungrig. „Wir spielen bis zur letzten Pommesbude“, sagt er und fragt gleich nach, „gibt es da auch Reibekuchen? Ich hätte gerne einen. Mit Apfelmus. Könnt ihr den mal durchreichen?“

Er ist halt immer bodenständig geblieben, mag diese Szene belegen, der ewige Kumpel, der Malocher, der sich seinen Erfolg hart erarbeitet hat. Dem 59-Jährigen wird vielleicht auch deswegen leicht spöttisch nachgesagt, mit seinen Liedern dem deutschen Mittelstand tief in die Seele sehen und die Traumbilder in Worthülsen packen zu können. Mag sein, dass sich so das Grönemeyer-Phänomen erklären lässt: Kein anderer deutscher Künstler schreibt neben politisch aufgeladenen Protestnoten wie „Unser Land“ und „Uniform“ gerne so abstruse, manchmal bewusst sinnentleerte Texte voller verschwurbelter Formulierungen, dadaistischer Romantik und enigmatischer Bilder – und niemand sonst hat ein derart textsicheres Publikum. Grönemeyer weiß das, setzt es in Bonn auch immer wieder ein, fordert bei „Bochum“, „Männer“ oder „Bleibt alles anders“ das Mitsingen, um dann mit bewährter Heiserkeit ein paar Silben besonders stark zu betonen und so fast schon wie seine eigene Parodie zu klingen. „Ihr seid klasse“, sagt er dann. „Unfassbar schön ist das“. Stimmt.

Mit der Mischung, die Grönemeyer im Gepäck hat, kann das Konzert aber ohnehin nicht anders verlaufen. Die Stücke seines neuen Albums „Dauernd Jetzt“ (darunter das fantastische Afrika-Lied „Feuerlicht“) sind eingebettet in ein Best-of-Programm, das keine Wünsche offen lässt. Die großen Hymnen rocken und grooven wie eh und je, die Balladen erhalten dagegen mitunter ein neues Gewand (so wird „Flugzeuge im Bauch“ zu einer zart wabernden Barjazz-Nummer). Etwa zweieinhalb Stunden hat Grönemeyer am Ende auf der Bühne gestanden. Und getanzt, mit dem Reibekuchen in der Hand. Das macht ihm so schnell wahrscheinlich keiner nach. Gut so. Manche Unikate sollte man einfach nehmen, wie sie sind. Und sich freuen, dass man es kann.

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