Helmut Schleich: Ehrlichkeit ist eine Bestie

In Doornkaat veritas. Eine alte Weisheit, die auch dann gilt, wenn besagtes Wundermittel unnötig verwässert wird. Egal: Bei Helmut Schleich entfaltet die Schorle im Weizenglas auf jeden Fall blitzartig seine Wirkung. Der bayerische Kabarettist steigt im Pantheon ohne zu zögern mit der Bestie namens Ehrlichkeit in den Ring, diesem von allen so gefürchteten Monster, in dessen Augen das Publikum nun die Wahrheit erblicken muss. Ob es will oder nicht. Aber wollen wir uns nicht lieber belügen lassen? Oder zumindest Augen, Ohren und Münder verschließen wie die drei legendären Affen? Das Leben kann so einfacher sein.

Doch genau das will Schleich nicht zulassen. Mit bitterböser Satire und einem kleinen Hofstaat unterschiedlicher Rollen zerrt er die Ehrlichkeit aus den Schatten und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Ein mutiges und in weiten Teilen erfolgreiches Unterfangen. Aber leider auch eines, das mitunter ein wenig ausartet.

Eigentlich versteht sich Schleich bestens auf messerscharfe Analysen, die er mit exzellenter Bildsprache in Szene setzt. Manchmal wirkt er jedoch ein wenig zu fahrig, zu sprunghaft, zu wahllos. So räsoniert er als der altehrwürdige Heinrich von Horchen, der schon Jopi Heesters unterrichtete, über antike Spionagetechniken und die Beliebtheit von Angela Merkel, gleitet dabei aber nicht zuletzt dank überbordender Sprachfehler, die nicht zu Unrecht an Rainer Pauses Kunstfigur Fritz Litzmann erinnern (der Pantheon-Gründer hat bei Schleichs neuem Programm Regie geführt), sowie mangelnder Stringenz und diverser inkohärenter Äußerungen zu sehr ins Alberne ab. Gleiches gilt für Stammtischschwätzer Freddy und den jüngst an die Macht geputschten obersten „lupenreinen Demokraten“ der fiktiven Republik Kitschakirsisien, der zwar im Ansatz einiges Potenzial aufweist, in der Ausarbeitung aber noch stärker werden kann.

Auf der anderen Seite setzt Schleich echte Glanzpunkte: Gerade noch drischt er auf jene Geldinstitute ein, die längst das Sprichwort von der sicheren Bank ad absurdum geführt haben, kritisiert die Gebührenabzockerei und die Lebensmittelspekulationen der Investmentbanker – und auf einmal bemüht er sich selbst, eine neue Art von Kreditanstalt anzupreisen, die natürlich alles besser macht, aber sich doch durch die üblichen Slogans selbst entlarvt. Satire vom Feinsten! Großartig natürlich auch die Paraderolle des Bayern: Franz Josef Strauß, der auch posthum noch mehr als genug Wut im Bauch hat, um einmal abzurechnen mit den weiß-blauen Polit-Schlümpfen, die „seine“ Partei rigoros demontiert haben. „Freie Wähler in Bayern, das ist eine contradictio in verbis“, wettert er. Viele CSU-Politiker sehen das wahrscheinlich ebenso. Und tatsächlich: „Hinter der Maske des Witzes versteckt sich die Fratze der Erbärmlichkeit.“ Wie wahr. Diese entblößt Schleich leidenschaftlich gerne. Ebenso wie die bereits erwähnte Bestie, der er schon zu Beginn ein Gesicht gibt. Das eines verurteilten Massenmörders, der kurzerhand jeden um die Ecke brachte, der ihm missfiel. Und damit auf bedauerliche Art und Weise ehrlicher ist als all die anderen Gestalten, mit denen Schleich abrechnet. Das sollte zu denken geben...

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