The Levellers: Folk im Sitzen, Punk im Stehen

„Psssst!“ Ruhe bitte. Nicht beim Stimmen stören. Ist doch kein Punk-Konzert hier. Nein, die Levellers sind distinguierter geworden. Diese Botschaft scheinen sie zumindest in der Harmonie Bonn vermitteln zu wollen. Die Band aus Brighton, die in den 90er Jahren als Gegenstück der Pogues die alternative Szene belebte und beim Glastonbury Festival für Zuschauerrekorde sorgte, klebt jetzt auf den Stühlen, spielt ein gediegenes Akustik-Set, blickt dabei auf 25 Bandjahre zurück – und bittet eben augenzwinkernd das Publikum, zu schweigen. Bis dieses es einfach nicht mehr aushält. Und den Punk in den Folk bringt.

Dabei hätte man im Vorfeld überhaupt nicht mit einem Sitzkonzert gerechnet. Nicht nach der 80-Minuten-Dokumentation „A Curious Live“, die der eigentliche Grund für die Tour ist und die in einfachen Bildern die Geschichte der Levellers nachzeichnet. Diese liegt, so scheint es, meistens irgendwo im Müll, vergraben unter Bergen von Material und Krempel. So sieht es in der Wohnung von Bassist Jeremy Cunningham aus, im Archiv des bandeigenen Studios „Metway“ und auch bei jenem Kameramann, der 1992 den ersten Auftritt der Band beim „englischen Woodstock“ festhielt. Alles Stapel voller Papier und Celluloid, die in irgendwelchen feuchten Ecken vor sich hin verrotten. Es sind Überbleibsel der Hausbesetzer-Mentalität, aus der die Musik des Sextetts aus Brighton ursprünglich entwuchs. „Unsere Musik ist Folk, unsere Einstellung Punk“, sagt Cunningham im Film.

Das würde man auch gerne heutzutage noch glauben, doch von springenden und tanzenden Massen ist beim anschließenden Konzert zunächst nichts zu sehen. Von springenden und tanzenden Musikern ebenso wenig. Die Bestuhlung, ein ausdrücklicher Wunsch der Levellers, agiert wie ein überdimensionaler Liebestöter. Die Leidenschaft, die Spielfreude fehlt – stattdessen klingt Sänger Mark Chadwick erschöpft, müde, ausgelaugt, ebenso wie Simon Friend, dessen rauchige Stimme bei manchen Liedern die Führung übernimmt. Und Cunningham, der verrückte Kauz, der in der Dokumentation so aufgedreht wirkte? Sitzt in einer Ecke und ist in seiner eigenen kleinen Welt versunken, nur nebenher ein paar Basstöne spielend. Zugegeben, mit geschlossenen Augen klingen die Akustik-Versionen trotzdem sehr gut, dürften sich auf einer CD sehr gut machen. Aber live muss man einfach mehr erwarten.

Schließlich nimmt das Publikum das Ruder selbst in die Hand. Immer mehr stehen auf, verzichten auf die Stühle, wollen feiern, tanzen, rocken. Spätestens nach dem leider etwas träger laufenden „Another Man's Cause“ und dem darauf folgenden balladesken „Maid of the River“ fordert die Menge, was ihr zusteht. Und bekommt es. Die Energie fließt, die Band wacht auf, die Musik erhält auf einmal eine neue Qualität. Endlich. Ab „Barrel of the Gun“ geben die Levellers Gas, klingen wieder so rotzig-frech wie damals, als sie sich mit der gesamten Musikpresse des Vereinigten Königreiches anlegten und ein Goldalbum nach dem anderen verkauften. Die Pogo-Front wächst zunehmend, irgendwann gibt selbst der Mittelblock jede Zurückhaltung auf und erhebt sich, um zu tanzen. Von wegen „Psssst!“ Jetzt nicht mehr. Und hoffentlich niemals wieder.

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