Simon Phillips: Schlagzeug-Orgien eines menschlichen Uhrwerks

Und wieder geht es über die Toms. Schnell, leicht und präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. Simon Phillips, der ehemalige Toto-Schlagzeuger und nach Ansicht vieler einer der Besten seines Fachs, packt in der bis auf den letzten Platz gefüllten Harmonie das gesamte Repertoire seiner Fähigkeiten aus, jagt mal wie ein Derwisch über das Instrument, nur um kurz darauf die Pausen zu goutieren, ihnen Gewicht zu geben und sie mit feinen, ausgewählten Akzenten zu umrahmen.

Mit den klassischen Westcoast-Hymnen aus Toto-Zeiten hat dies allerdings nur am Rande zu tun – der oft genannte Begriff „Fusion“ trifft den Stil von Phillips und seinen drei Bandkollegen aber auch nur zum Teil. Das skurrile Konglomerat aus ekstatischen Gitarren-Soli und exzessiver Keyboard-Klimperei, aus harten Rock-Riffs und psychedelischen Orgasmen verweigert sich rigoros einer Einordnung, versteht sich vielmehr als offene Plattform für sich austobende Musiker – und bleibt dabei trotz einer zweifelsfrei technischen Brillanz in manchen Momenten in der Luft hängen.

 

Es besteht kein Zweifel, dass sowohl Simon Phillips als auch seine Mitstreiter Andy Timmons (Gitarre), Steve Weingart (Keyboard) und Ernest Tibbs (Bass) ihre Instrumente in Perfektion beherrschen. Doch selbst die Besten können sich in ausufernden Eskapaden verlieren, was vor allem Weingart öfters passiert. Minutenlang flirren seine Finger über den Tasten und erschaffen so Klanggebilde, die mit plärrendem Casio-Sound und Theremin-Assoziationen entfernt an die französische Band Magma erinnern. Kann gut sein, wirkt aber ab und zu (etwa bei einem von Salvador Dalí inspirierten Stück des für Mai erwarteten neuen Albums „Protocol III“) unnötig beliebig. Da sind die herrlich krachenden Riffs von Timmons weitaus konkreter, klarer, nachvollziehbarer. Rockiger eben. Ist natürlich Geschmackssache – und spielt für einen Großteil des dicht an dicht stehenden Publikums ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Viele Schlagzeuger sind vor allem gekommen, um ihr Idol Phillips zaubern zu sehen. Und der enttäuscht nicht. Zwar hält er sich, von zwei Ausnahmen abgesehen, mit ausgiebigen Solo-Einlagen merklich zurück, schafft es aber auch so, seine Kunst zu entfalten. Was eigentlich nur umso eindrucksvoller ist. Phillips ist allgegenwärtig und immer in Bewegung, geistig wie körperlich. Monotonie? Nicht bei ihm. Fast jeder Takt bietet neue Patterns, neue Rhythmen, neue Verschiebungen. Und immer wieder diese rollenden Märsche über die Toms, die zu einem Markenzeichen von Phillips geworden sind und die die Menge ein ums andere Mal zu Jubelstürmen hinreißen. Wie gesagt, technisch auf allerhöchstem Niveau. Und so schallt dem Quartett denn auch erwartungsgemäß nach guten zwei Stunden ohrenbetäubender Jubel entgegen. Übrigens, wer es lieber etwas stringenter mag: Auch Toto ist derzeit auf Tour. Am 15. Juni spielt die Formation am Tanzbrunnen in Köln. Wenn auch leider ohne Simon Phillips.

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