Silje Nergaard: Balladenschmelz mit Jazztupfern

Silje Nergaard ist mal wieder auf Wanderschaft. In mehr als einer Hinsicht. In der restlos ausverkauften Harmonie Bonn hat die norwegische Sängerin das Auftaktkonzert zu einer dreiwöchigen Tour gegeben und zugleich musikalisch einen Weg fortgesetzt, den sie schon bei ihrem letzten Album „Unclouded“ zu einem nicht unerheblichen Teil beschritten hat. Dieser führt sie zunehmend weg von dem ihr immer noch zugeordneten Jazz und hin in den Bereich des Singer-Songwritings.

Schon bei ihrem letzten Besuch in der Bundesstadt war klar geworden, dass die Zeiten, in denen sie mit wagemutigen Jazz-Interpretationen die Augen und Ohren von Größen wie Pat Mattheny auf sich zog, zwar noch nicht vollständig vergessen sind, aber dennoch zugunsten eines neuen Stils in den Hintergrund treten. Das muss keine schlechte Entscheidung sein, immerhin hat sich die charmante Dame mit ihrem weichem, zartem Sopran schon immer eher bei ineinander fließenden, lyrischen Passagen als bei wilden Improvisationsduellen wohl gefühlt, auch wenn sie beides beherrscht und in Bonn bei einer flotten Disco-Nummer auch wieder ausgiebig dem Scat-Gesang frönt. Dennoch ist es irgendwie schade – denn so bezaubernd ihre neue CD „Chain of Days“ auch ist, so fehlt doch bei ihrem Live-Auftritt in manchen Momenten ein bisschen Biss. Und einiges an Ausdauer.

Immerhin hat Silje Nergaard ihr Programm noch stärker reduziert als bei ihrem letzten Besuch in der Bundesstadt. Zwei statt drei Gitarristen (Hallgrim Bratberg und Håvar Bendiksen), die allerdings, wenn sie denn wie etwa beim fantastischen Klassiker „Tell me where you're going“ losgelassen werden, auch den Job von vieren erfüllen; kein Funk, dafür ein veritabler Disco-Song mit jeder Menge guter Laune und der einzigen Chance für die Fans, lautstark vierstimmig mitzusingen; und ein Umfang von etwa 90 Minuten inklusive Zugaben. Nicht gerade üppig, zumal die 48-Jährige kurz zuvor noch betont hat, wie sehr sie die Energie in der Harmonie liebt. Hätte sie ja mal richtig ausnutzen können, statt den Jazz auf zwei leichte Balladen im Mittelteil zu beschränken. Zeit genug hätte sie gehabt. Und zwei exzellente Musiker, die das ohne weiteres mitgemacht hätten. Immerhin, ab und zu kommt das Trio auch so in Schwung, drückt ein wenig aufs Tempo und setzt ein paar dezente Jazztupfer, bevor es wieder zurücksinkt in diese eigentlich unspektakuläre und zugleich zauberhafte Geruhsamkeit der Nergaardschen Balladenwelt, die auch sehr viel für sich hat. Bei Titeln wie „Be still my heart“ schwebt Nergaards Stimme wie ein sanfter Nebel über den Wassern, getragen von einigen filigranen Saitenklängen, einlullend wie der mythische Sirenengesang, fesselnd, zart, traumhaft. Wunderschön eben – und doch wäre es für das Konzert an sich noch schöner gewesen, wenn an der ein oder anderen Stelle eben jene tiefen Bässe und Drum-Patterns hinzugekommen wären, die bei den Studioaufnahmen zu „Chain of Days“ zu finden sind. Oder der eindringliche Parallelgesang, den der exzellente Jazz-Sänger Kurt Elling bei der Album-Version von „The Dance Floor“ hinzufügt und den Nergaards Gitarristen nur bedingt – zumindest aber trotz allen Bemühens nicht auf Augenhöhe mit der Blondine – ersetzen können. Dieses zusätzliche Tonvolumen hätte das vom Publikum bejubelte Konzert durchaus vertragen können. Das – und ein paar mehr Lieder.

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