Marla Glen: Energie aus tiefster Kehle

Diese Stimme ist wirklich einzigartig. Tief, ganz tief. Noch ein bisschen tiefer. Da, ganz unten, lauert Marla Glen, singend, brummelnd, schmetternd, schnatternd, ihr fantastisches Organ ausreizend, mit dem sie für so manche Gänsehaut sorgt. Sie fühlt sich offenbar wohl, nennt das ausverkaufte Pantheon ihr Wohnzimmer, die Menschen im Publikum ihre Freunde, denen sie Geschenke mitgebracht hat, Autogrammkarten, CDs oder einfach nur eine Umarmung. Die Menge liebt sie dafür, feiert sie und genießt die weitgehend soulig-bluesigen Stücke, die die Frau im Anzug, die das Spiel mit dem Androgynen liebt, präsentiert und die sich zu einem ganz besonderen Konzert vereinen.

Doch ist Marla Glens gute Laune wirklich nur eine Folge ihrer Lockerheit und Lebenslust? Oder steckt da mehr dahinter? Ganz auszuschließen ist es nicht: Ihr enthusiastisches Gelächter wirkt in manchen Momenten fast schon manisch, ihre Moderation fahrig. Immer wieder beginnt sie, Geschichten zu erzählen, die sie sofort wieder abbricht, murmelt Unverständliches, fragt nach dem nächsten Lied, wirkt unkonzentriert, der Welt entrückt. Es mag unbändige Energie sein, die sich aus tiefster Kehle ihren Weg in den Saal bahnt und die Zuhörer verzückt, die die Band mitreißt und Marla Glens Körper keine ruhige Minute gönnt – und doch erinnert die Situation manchmal an die Film-Biographie der jungen Jahre von Ray Charles. Im Guten wie im Schlechten.

Derart aufgekratzt war Marla Glen schon in der Vergangenheit, hat jedoch immer ihre musikalischen Qualitäten unbefleckt gelassen. Dieses Mal gelingt ihr das nicht immer. Ab und zu kommt es zu Aussetzern, vergisst die 55-Jährige Akkorde, Einsätze, Tonfolgen. Auch ihr Spiel an den Bongos wirkt inzwischen eher planlos, statt den bewährten Voodoo-Zauber zu erwecken. Marla Glen steht dazu, flucht an diesem Abend häufiger über sich selbst. Und rückt in ihren besten Momenten alles wieder ins Lot. Ihre Version von „Ruby Tuesday“ ist immer noch eine der intensivsten, ihre Kraft in Reggae-Songs und frühem Westcoast-R'n'B-Funk ungebrochen. Nur mit „Believer“, ihrem größten Hit, steht The Glen auf Kriegsfuß. „Actually I hate this song“, gesteht sie. Weil das Publikum es fordert, singt sie den Titel trotzdem. Und setzt im Anschluss mitten im Publikum wieder auf den Blues, den sie so sehr liebt, in dem sie ihre Mundharmonika aus- und all ihren Schmerz, ihre schlechten Erfahrungen, ihre Leidenschaft und ihre Kraft hineinpackt. Das ist Marla Glen in Bestform. Geht doch.

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