„Malala“: Ein Leben für die Bildung

Jeder kennt sie, die Geschichte von Malala, der jüngsten Friedensnobelpreisträgerin aller Zeiten. Oder jeder glaubt sie zu kennen. Denn was wissen wir wirklich? Über sie, über ihre Heimat Pakistan, über den Islam, über den Terror der Taliban? Was wissen wir im sicheren Westen von der ständigen Bedrohung, der Angst, der Unterdrückung – und dem Mut, den es erfordert, als Elfjährige mit einem Blog für die BBC anzufangen, der Millionen bewegt? Es sind diese Fragen, die die Grundlage bilden für das Monodrama „Malala – Mädchen mit Buch“ des englischen Dramatikers Nick Wood, das die Regisseurin Konstanze Kappenstein für das Junge Theater Bonn modifiziert hat. Der General Anzeiger durfte nun bei einer Probe zuschauen und einen ersten Blick auf die spannende Produktion werfen.

Jeder kennt sie, die Geschichte von Malala, der jüngsten Friedensnobelpreisträgerin aller Zeiten. Oder jeder glaubt sie zu kennen. Denn was wissen wir wirklich? Über sie, über ihre Heimat Pakistan, über den Islam, über den Terror der Taliban? Was wissen wir im sicheren Westen von der ständigen Bedrohung, der Angst, der Unterdrückung – und dem Mut, den es erfordert, als Elfjährige mit einem Blog für die BBC anzufangen, der Millionen bewegt? Es sind diese Fragen, die die Grundlage bilden für das Monodrama „Malala – Mädchen mit Buch“ des englischen Dramatikers Nick Wood, das die Regisseurin Konstanze Kappenstein für das Junge Theater Bonn modifiziert hat. Der General Anzeiger durfte nun bei einer Probe zuschauen und einen ersten Blick auf die spannende Produktion werfen.

Auf der Bühne des Kuppelsaals im alten Metropol-Theater stapeln sich zerknüllte Zeitungen und Bücher. Abstraktes Wissen. Lesen kann man viel, aber was kann man daraus erfahren? Dazwischen die Protagonistin (Mona Mucke), eine junge Kulturwissenschaftlerin. Sie will eine Arbeit über Malala schreiben, das junge Mädchen, das in einem Blog über das Leben im pakistanischen Swat-Tal erzählt, sich für die Bildung der weiblichen Bevölkerung einsetzt, politische Aktivistin ist und sich auch nach einem Anschlag der Taliban auf ihr Leben, bei dem ihr zweimal aus nächster Nähe in den Kopf geschossen wurde, nicht hat unterkriegen lassen. Die Fakten sind schnell gesammelt. Zu schnell. Ein paar westliche Berichte, eine Biographie. Aber genügt das? Gehört nicht mehr dazu? Müssen wir nicht tiefer graben, wenn wir wirklich verstehen wollen, was dort am anderen Ende der Welt passiert? Also forscht die Studentin weiter, beschäftigt sich mit Kopftuch und Burka (und wundert sich, warum wir uns hierzulande dagegen sträuben, mit einem Nonnen-Habit aber keine Probleme haben), verliest Zeitungsartikel und Tagebuch-Einträge Malalas, zeigt Videos, offenbart die drakonischen Strafen der Taliban, die Mädchen den Besuch von Schulen untersagen – und verweist zugleich auf den Aufruhr, den vor knapp 120 Jahren die Entscheidung auslöste, das die Traditions-Universität von Cambridge erstmals auch Studentinnen akzeptiere. Auch damals flogen Steine.

„Wir haben uns letztlich genau die selben Fragen wie im Stück gestellt, als wir uns vorbereitet haben“, erzählt Mona Mucke kurz darauf und blinzelt in die Sonne. Einmal draußen sitzen, nicht unter der Metropol-Kuppel eingesperrt, wo die Proben und hinterher auch die Aufführungen des gut einstündigen Stücks stattfinden. „Unser Ziel ist es, den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Welt ein bisschen näher zu bringen, in der Malala lebt.“ Eine Welt, in der eine Frau mit Peitschenhieben bestraft wird, weil sie mit einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet ist, ihr Haus verlassen hat. Ein entsprechendes Video zeigt das Team um Regisseurin Kappenstein während der Aufführung, unscharf, aber dennoch eindringlich. „Wir haben uns natürlich schon die Frage gestellt, welche Bilder wir zeigen dürfen“, sagt diese (das Stück ist für Kinder ab zwölf Jahren empfohlen). „Dieses Video gehört noch zu dem harmlosen Material – wenn man sich einmal mit dem Swat-Tal beschäftigt, in dem Malala lebt, kommt man ganz schnell auf Taliban-Webseiten, wo es richtig übel wird. Da sagen wir natürlich sofort, dass man so etwas Kindern nicht zeigen dürfe, solche Bilder könne man ihnen nicht zumuten. Andererseits ist das für Menschen wie Malala leider der Alltag.“

Dass Malala überhaupt für den BBC-Blog ausgewählt wurde, ist auf ihren Vater Ziauddin Yousafzai zurückzuführen – der Schulleiter empfahl seine Tochter, förderte sie, vertraute ihr. Diese Beziehung spielt im Stück eine nicht unerhebliche Rolle. „Es war mir sehr wichtig, die enge Bindung zwischen den beiden zu zeigen, weil schnell der Eindruck entsteht, der Vater hätte Malala zu irgendetwas gedrängt. Dafür ist Malala aber zu stark – und zugleich ist sie sehr verletzlich, wie man in manchen unserer Videos sehen kann.“ Ein Mädchen, das für viele steht. Auch das hat sie in Oslo gesagt: „Ich bin diese 66 Millionen Mädchen, denen man die Bildung verweigert hat.“

Letztlich regt „Malala – Mädchen mit Buch“, auch wenn es sich dann doch inhaltlich selbst beschränken muss, zum Nachdenken über die eigenen Prioritäten an. Darüber, was wichtig ist. Und wogegen wir aufbegehren. „Im Stück sage ich ja zum Beispiel, dass ich mich das letzte Mal wirklich gewehrt habe, als ich zehn Jahre alt war und mein Bruder mein Fahrrad klauen wollte“, erzählt Mona Mucke, die erst im Februar ihre Ausbildung an der Theaterakademie Köln abschloss. „Und Malala setzt mit elf Jahren ein Zeichen, indem sie ihren Blog beginnt und vom Leben im Swat-Tal unter dem Taliban-Regime berichtet. Das bewundere ich zutiefst.“ Widerstand mit Worten, die mehr bewegen als Waffen. „Ich hatte zwei Optionen, die eine war, zu schweigen und darauf zu warten, getötet zu werden. Und die zweite war, die Stimme zu erheben und dann getötet zu werden. Ich habe mich für die zweite entschieden“, hat Malala bei der Nobelpreisverleihung 2014 in Oslo gesagt.


Malala Yousafzai


Geboren am 12. Juli 1997 begann Malala im Januar 2009, unter dem Pseudonym Gul Makai für die BBC ein Internet-Tagebuch zu führen, in dem sie die Gewalttaten der pakistanischen Taliban im Swat-Tal beschreibt und für das Recht auf Bildung kämpft. 2011 wurde ihre Identität aufgedeckt, als sie für den Internationalen Kinder-Friedenspreis nominiert wurde. Am 9. Oktober 2012 hielten daraufhin einige Taliban ihren Schulbus an, fragten nach Malala und schossen aus nächster Nähe auf sie. Dabei wurden Teile von Ober- und Unterkiefer zerstört. Nach einer ersten Operation in Peschawar wurde Malala nach Birmingham überführt, wo später auch ihr Gesicht mit Hilfe von plastischer Chirurgie wiederhergestellt wurde. Am 12. Juli 2013, ihrem 16. Geburtstag, hielt sie eine Rede vor der Jugendversammlung der UNO, im Oktober traf sie US-Präsident Barack Obama, dem sie einerseits für seinen Einsatz in Pakistan dankte, gleichzeitig aber den Einsatz von Kampfdrohnen kritisierte. Am 10. Oktober 2014 wurde ihr zusammen mit dem indischen Kinderrechts- und Bildungsaktivisten Kailash Satyarthi der Friedensnobelpreis zuerkannt.



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