„Lala – ein Hurenabend“: Der Zynismus der käuflichen Liebe

Das älteste Geschäft der Welt, von vielen öffentlich verteufelt und verpönt und heimlich dann doch verklärend in Anspruch genommen. Es geht ja um Liebe, so glauben die Kunden gerne, käufliche zwar, aber immerhin. Diese Ambivalenz hat nicht zuletzt Bertolt Brecht fasziniert, in dessen Theaterstücken, Gedichten und Liedern (letztere von Kurt Weill vertont) Prostituierte immer wieder eine essentielle Rolle spielen. Nun hat sich Regisseur Michael Barfuß, der in Bonn zuletzt mit der „Rock 'n'n Rollator Show“ und „The Songs of Tom Waits“ Dauerbrenner im Haus der Springmaus und im Pantheon installiert hat, zusammen mit drei Absolventinnen der Alanus-Hochschule diesem Teil des Œuvres angenommen und unter dem Titel „Lala“ einen musikalischen „Hurenabend“ inszeniert, der jetzt im ausverkauften Pantheon Casino seine Premiere feierte.

Drei Sirenen woben an diesem Abend ihren Zauber: Swetlana Saam, Jana Rahma und Muriel Leonie Graf mimten die leichten Mädchen, sangen von Sehnsucht und Wahrheit, von Gefühl und Verrat, von Liebes-Illusion und pekuniär geprägter Wirklichkeit. Geschickt bewegten sie sich im Spannungsfeld des Geschäfts mit der Lust, und auch wenn die Drei (zumindest derzeit) weder die knisternde, prickelnde Erotik einer professionellen Burlesque-Tänzerin noch die Stimmgewalt einer großen Diseuse besitzen, verstanden sie das Publikum doch für sich einzunehmen und zeigten in manchen Momenten sogar ganz großes Kino. Vor allem Muriel Leonie Graf traf immer wieder den richtigen Tonfall, zugleich augenzwinkernd, lasziv und keck das Spiel mit Körper und Stimme genießend. Stark auch der halbe Striptease von Swetlana Saam, die passend dazu den sarkastischen inneren Monolog „Gedanken eines Revuemädchens während des Entkleidungsakts“ vortrug und dabei die Worte so herrlich gallig in die Welt hinauswürgte, dass die leicht steifen Bewegungen auf dem von Marcus Schinkel bespielten Flügel schon fast wieder passten.

Überhaupt waren die grandiosen Texte und Lieder des Duos Brecht-Weill der eigentliche Quell des Amüsements. Wenn über die Hüften der Damen spekuliert wurde, über die sexuelle Hörigkeit oder über Mutter Goddams Puff in Mandelay, wenn all die Kolleginnen der Seeräuber-Jenny zu Wort kamen, mehr Huren als Heilige und doch, wie bei Brecht üblich, ein bisschen von beidem, schleicht sich unweigerlich ein Schmunzeln aufs Gesicht. Und Erstaunen ob der Erkenntnis, dass diese Texte tatsächlich schon mindestens 80 Jahre alt sind. Vor allem die „Ratschläge einer älteren Hure an eine jüngere“ können es ohne weiteres mit so manchem zeitgenössischen Rap-Text aufnehmen, ihn gar übertrumpfen, sind sie doch derb und doch lyrisch zugleich: „Nicht immer ist es schmackhaft, ungesalzen // Sich einen bärtigen Schwanz ins Maul zu stecken // Und ihn, als wär es Lebertran, zu lecken // Doch oft ist's saubrer, ihn dort zu umhalsen.“ Brecht nimmt kein Blatt vor den Mund; seine Texte stammen nicht aus den bürgerlichen Salons, sondern aus den Kneipen der Vorstadt, angeregt von François Villon, dessen Balladen auch in die „Dreigroschenoper“ Einzug fanden.

Zweifellos erfordert es einiges an Mut, sich mit so einem Programm auf die Bühne zu trauen, zumal die dazugehörigen Lieder Weills zwar leicht erscheinen, es mit ihren kleinen, alternierenden Intervallen aber nicht unbedingt sind. Insofern hatte der frenetische Applaus, den das Team um Michael Barfuß am Ende im Pantheon Casino entgegennehmen durfte, durchaus seine Berechtigung. Vieles wird sich ohnehin noch einschleifen. Dafür hat das Ensemble genug Zeit: Bis Ende des Jahres wird „Lala – ein Hurenabend“ noch sechs Mal zu sehen sein.

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