Kerim Pamuk und Lutz von Rosenberg-Lipinsky: Religionsaufklärung mit Strukturmängeln

Hier das Christentum, dort der Islam – und Unverständnis auf beiden Seiten. Denn was genau wissen wir eigentlich vom Glauben der Anderen? Oder von unserem eigenen, wenn wir mal genauer hinschauen? Diese Fragen wollen die beiden Kabarettisten Kerim Pamuk und Lutz von Rosenberg-Lipinsky im Haus der Springmaus beantworten. Der eine, bärtig, bebrillt und mit manchmal Malmsheimerschem Temperament gesegnet, ist ein Theologe aus Ostwestfalen, der andere ein eher ruhiger, gerne aber auch scharfzüngiger Orientalist und überzeugter Hamburger Türke. Zwei „Brüder im Geiste“, die ihren Glauben auf den Prüfstand stellen lassen – und sogar für die ein oder andere Erkenntnis sorgen. Dennoch könnten sie mehr erreichen. Wenn sie nur eine klare Struktur hätten.

Eigentlich machen die beiden alles richtig: Mit liebevoller Respektlosigkeit hinterfragen sie sich selbst und ihren Gegenüber, suchen Verständnis und finden doch immer wieder Verwirrendes. Den Gedanken der Trinität zum Beispiel. Oder so manche Widersprüche im Koran und den dazugehörigen Hadithe, einer Sammlung der Überlieferungen von Aussprüchen und Handlungen Mohammeds. Leider bleiben Pamuk und Rosenberg nur selten am Ball – und wenn, gehen sie nicht in die Tiefe. Vielleicht ist es die Angst vor fehlenden Lachern und nachdenklichen Mienen, vielleicht auch die vor der durchaus bestehenden Gefahr, zu sachlich und damit langweilig zu werden. Ja, einen theologischen Vortrag möchte in der Springmaus wahrscheinlich keiner hören, am allerwenigsten die beiden sich öffentlich bekennenden Heiden im Saal. Aber etwas mehr Substanz wäre durchaus angebracht gewesen. Und ein roter Faden statt des wilden thematischen Hin und Her, das vor allem in der zweiten Hälfte des Programms überhand nimmt. Minderheiten, Schützenfeste, Extremisten, Phantomhass, unbefleckte Empfängnis gegen Jungfrauen im Paradies, alles wird angesprochen, aber nichts davon ausdiskutiert. Eine vertane Chance.

Auffällig werden diese Mängel vor allem dann, wenn Pamuk und Rosenberg mit gekünstelten Wortspielen und konstruierten Missverständnissen hantieren – dann nämlich wirken die beiden steif und bemüht, nicht locker und authentisch. Auf der anderen Seite lauert dagegen die Unkenntnis, die vor allem der Deutschtürke immer wieder bekennt. „Keine Ahnung“ antwortet er mehr als einmal auf eine Frage seines Bühnenpartners, etwa wenn es um das Leben nach dem Tod geht. Klar, wissen kann keiner, was einen erwartet. Oder ob da überhaupt etwas ist. Aber zumindest ein paar Glaubenssätze wären doch drin gewesen. Vielleicht ein paar Koran-Zitate? Doch damit hält sich Pamuk ebenso zurück wie Rosenberg mit Bibelversen. Text-Exegese? Nein danke. Schade, zumal beide die Lesarten und die Lesbarkeit der heiligen Bücher immer wieder thematisieren. „Der Islam braucht eine Reformation, der Koran einen Luther“, sagt Rosenberg, als Pamuk gesteht, dass das Hocharabisch des Originaltextes kaum noch jemand beherrsche. Als ob das bei den aramäischen und hebräischen Urtexten der Bibel anders wäre. Nein, mit solchen Plattitüden machen es sich die beiden dann doch etwas zu einfach. So reizvoll auch die Idee des Programms ist, so kurzweilig und in einigen wenigen Momenten sogar lehrreich – insgesamt bleiben Pamuk und Rosenberg aufgrund derartiger Unzulänglichkeiten und der fehlenden Stringenz leider hinter ihren Möglichkeiten zurück. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0