Volker Pispers: Don Quijote im Spiegel-Bild-Kampf

Schuld sind sie alle. Alle miteinander. CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne, Banken, Statistiker, Ökonomen, Wirtschaftsbosse und natürlich sämtliche Medien. Die gesamte kapitalistische Mischpoke eben, die nur Politik für die Reichen macht, Stacheldraht durch die Köpfe der Menschen zieht, Statistiken manipuliert und den Westen grundsätzlich für die gute Seite hält. Nur einer lehnt sich dagegen auf, nur einer hat das Wissen, den Verstand und den Willen, diese Missstände aufzudecken: Volker Pispers, der strahlende Don Quijote des deutschen Kabaretts, der seit über 30 Jahren alleine gegen die sich wundmühlenartig im Kreis drehende kollektive Dummheit des Volks ankämpft. In der Bonner Oper hat er sich nun einmal mehr als großer Aufklärer versucht – und greift dabei trotz so mancher tiefer Wahrheit immer wieder zur Polemik-Keule, bis sein Vorgehen von jenem, welches er bei anderen kritisiert, kaum noch zu unterscheiden ist.

Vor allem die großen Verlage sind Pispers ein Dorn im Auge. Lügenpresse, schimpft er immer wieder – zwar mit weitaus eloquenteren Worten als zuletzt die zahlreichen, von ihm als eine Menge strunzdummer Hohlköpfe titulierten Pegida-Demonstranten, aber nicht minder vehement. Alle Journalisten schert er über einen Kamm, diskreditiert sie als Schreibsklaven, die nicht in der Lage sind, verschiedene Seiten eines Themas zu beleuchten, zu differenzieren, zu analysieren. Die Wahrheit, die hat nur er gepachtet. Auch wenn seine Version der Geschehnisse in der Ukraine auf eine riesige Verschwörung des Westens hindeutet, für die er ebenso viele eindeutige Beweise vorzulegen vermag wie die USA unter ihrem „Massenmörder Obama“ für die Existenz von Nuklearwaffen im Irak unter Saddam Hussein. Egal, für Pispers ist Weltpolitik schließlich ganz einfach. Schwarz und weiß? Nein, schwarz und schwarz. Alle Regierungen haben ihm zufolge Dreck am Stecken, opfern Volk, Integrität und Wahrheit gnadenlos auf dem Altar des alles verschlingenden Kapitalismus. Die vermeintlich Guten sind eben auch die Bösen. Eine andere Position existiert nicht, da muss nicht mehr differenziert werden. Was er den Zeitungen vorwirft, kann der wild agitierende Pispers SpiegelBildlich schließlich schon lange.

Dabei legt der 57-Jährige durchaus auch den Finger auf schwärende Wunden, wenn er nicht gerade die gesamte Politiker-Riege (mit Ausnahme der Linken, die so manche minutenlange Tirade des Kabarettisten ohne weiteres in eine ihrer Wahlkampfveranstaltungen integrieren könnten) vor das verbale Erschießungskommando stellt oder sich an imaginären Feindbildern abarbeitet. Denn in der Tat gibt es riesige Probleme, über die einfach zu wenig in der Öffentlichkeit gesprochen wird: 50.000 Menschen verhungern pro Tag weltweit, und auch wenn man deswegen vielleicht die Ebola-Epidemie in Westafrika nicht klein reden sollte, dürfte einen die Zahl nicht kalt lassen. Auch die fehlenden Lehrer, Krankenschwestern, Altenpfleger und Polizisten in Deutschland sind ein Skandal, ebenso wie die Methoden, mit denen die Arbeitsämter ihre Statistiken und wendehalsige Politiker ihre Entscheidungen schönrechnen. Und die Festung Europa, die nach und nach eine unsichtbare Mauer aufbaut, um sich von den hilfsbedürftigen Massen abzuschotten? Ist leider nicht allzu weit von der Realität entfernt. All das prangert Pispers zu Recht an, scharfzüngig, gnadenlos und an einigen Stellen zynisch bis an die Grenze des Erträglichen. „Manchmal wünschte ich mir, es gäbe den christlichen Gott, vor dem sich hinterher alle rechtfertigen müssten“, sagt er und fällt weiter seine Pauschal-Urteile gegen den von ihm so verhassten Kapitalismus. Tja – für so manchen wäre das letzte Gericht wahrscheinlich der bessere Ausweg. 

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