New York Jazz Connection: Band of Brothers

Die besten Bands, so heißt es, sind jene, deren Mitglieder sich so sehr angenähert haben, dass sie mehr sind als die Summe der einzelnen Teile, dass sie sich blind verstehen, sich gegenseitig ergänzen und gemeinsam in ganz neue Dimensionen vorstoßen. In den meisten Fällen dauert es Jahre, bis man sich gefunden hat – bei der New York Jazz Connection, die jetzt in der Bonner Oper gespielt hat, ist es ein Werk von Augenblicken. Vier exzellente Musiker, die zum ersten Mal in dieser speziellen Besetzung zusammenkommen und dennoch so hervorragend miteinander harmonieren, als würden sie seit drei Dekaden nichts anderes tun. Ein bemerkenswertes Konzert, nicht ganz einfach, aber mit umso mehr Tiefgang.

Der Dreh- und Angelpunkt des Quartetts ist John Goldsby, seines Zeichens Bassist der WDR Bigband und Initiator des Projekts. Vor 30 Jahren lebte er in New York, wo er mit zahlreichen hochkarätigen Jazzern kooperierte – unter anderem mit Trompeter Marvin Stamm und Pianist Bill Mays. Deren Biographien lesen sich wie ein „Who is Who“ der Jazz-Szene: Frank Sinatra, Benny Goodman, Bill Evans, Quincy Jones, Sarah Vaughan, Toots Thielemans und Lionel Hampton haben bereits auf ihre Dienste zurückgegriffen. Mit Goldsby haben sie beide gespielt, allerdings nie zusammen. Bis jetzt. Denn als Mays und Stamm für ein Projekt nach Deutschland eingeladen wurden, witterte der Bassist seine Chance, schnappte sich seinen Bigband-Kollegen Hans Dekker (Drums) und organisierte das Gipfeltreffen mit seinen musikalischen Brüdern.

Das Ergebnis erfordert volle Konzentration, vom Publikum fast noch mehr als von den Musikern, die sich scheinbar mühelos zwischen allen denkbaren Stilen bewegen, permanent die Rhythmen verschieben und heimlich ein Zitat nach dem anderen einbauen. Diese zu entdecken ist die große Kunst, den verschnörkelten Wegen zu folgen die Herausforderung. Dabei spielt das Quartett förmlich mit dem Unerwarteten: So zerlegen Mays und Stamm als Duo genüsslich die Ballade „Skylark“ in ihre Einzelteile, geben mal ein paar Swing-Einflüsse hinzu, dann wieder ein paar harmonische Rückungen, nur um all diese Experimente schließlich in jenem sehnsüchtig klagenden Trompetensolo aufzulösen, mit denen sie einstiegen. In anderen Momenten geben die Musiker so richtig Gas, etwa beim „Samba du Nancy“ aus Marvin Stamms Feder, bei der Hans Dekker alle Facetten seines Könnens zeigen kann – doch auch der virtuose Bill Mays sorgt mit einem zauberhaften Solo für Begeisterung.

Ohnehin kommt jeder zu seinem Recht. Manchmal wirkt es sogar schon überladen, wenn in wirklich jedem Stück ein Bass-Solo und zumindest ein paar ausladende Drum-Patterns untergebracht werden müssen. Zumal Goldsby direkt nach der Pause mehr als genug Zeit hat, um sich darzustellen. Die „Three short stories for contrabass and piano“, die Mays in den 80ern extra für seinen damaligen Duo-Partner geschrieben hatte („Gesetze aus der Prohibitionszeit erlaubten in vielen Clubs nur drei Musiker und kein Schlagzeug, damit die Gäste nicht anfingen zu tanzen und dann zu trinken“, erinnert sich Goldsby, „deshalb war die Kombination aus Bass und Klavier sehr beliebt“), ist ein Paradestück für jeden Bassisten. So wie der gesamte Abend ein Paradekonzert für ein Jazz-Quartett ist. Wenn man sich denn reinhört und eine Schicht nach der anderen entdeckt. Es lohnt sich. Wie eigentlich immer bei gutem Jazz. 

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