Kay Ray: Anarchie in allen Farben

So hatte sich das wohl keiner vorgestellt. Gäste rauchen auf der Bühne, verdrehen Kabel, werden zu Punks und bringen sowohl Kay Ray als auch seinen Pianisten Fabian Schubert wahlweise zum Lachen oder an den Rand der Verzweiflung. Anarchie im Pantheon. Bei dem enfant terible ist das zu erwarten, das Spiel des Publikums ist allerdings eine Überraschung. Wenn auch eine amüsante, die zudem dafür sorgt, dass die sonst schnell peinlich wirkenden Pennälerwitze Kay Rays, die Sauf-Eskapaden und der Fäkalhumor zumindest in Teilen aufgefangen werden, bevor sie weit unterhalb der erträglichen Niveaugrenze zerschellen.

Wie üblich ist Provokation das primäre Werkzeug des schrägen Paradiesvogels, der mit Verve und einem Augenzwinkern auf Anstand und guten Geschmack pfeift, sich das Handy eines Besuchers in seine Unterhose steckt, offen über die Vagina seiner Oma spricht, die Bässe seiner beiden Nasenlöcher beim Hochziehen von Rotz vergleicht und sich redlich bemüht, so obszön wie möglich zu wirken. Ein Ansatz, der grundsätzlich legitim sein kann – wenn er denn eine Aussage transportiert. Doch selbst dem verweigert sich Kay Ray leider zusehends, so als würde er lediglich versuchen, in einer Welt, der nichts mehr peinlich ist, mit allen Mitteln aus dem Rahmen zu fallen. „Wenn Sie bei mir Niveau erwarten, sind sie falsch“, sagt er. Und hat damit Recht. Sofern er nicht singt. Was der Exzentriker wirklich hervorragend kann, zumindest in nüchternem Zustand.

Der hält allerdings nicht allzu lange an. Bier, Vodka, alles rein in den Rachen. Dazu raucht er wie ein Schlot, sich auf der Bühne zum Johlen des Publikums selbst zerstörend und das offenbar auch noch genießend. „Ich habe gerade so viel Spaß, ich könnte mich selber ficken“, sagt er. Andererseits macht das Publikum mit: Vor allem die erste Reihe feiert ausgelassen und kehrt ab und zu Kay Rays eigene Waffen gegen ihn. Besonders stark der Moment, als der gelernte Friseur einem gut gelaunten älteren Herrn mit Halbglatze mittels jeder Menge schwarzer Farbe einen Hitler-Look verpasst – und dessen Frau sich im Anschluss freiwillig einen Irokesen auf den Kopf zaubern lässt. So viel Mut lässt selbst den 49-Jährigen für einen Moment ganz brav werden. „Ich hätte nie gedacht, dass ihr das mitmacht. Dafür verdient ihr allerhöchsten Respekt“, sagt er. Stimmt! Das sind die Momente, in denen das Showkonzept aufgeht. Wenn Kay Ray das doch nur aus sich heraus können würde.

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