Erwin Grosche: Ein Träumer kämpft für Tigerbrötchen

Was genau macht dieser Mensch da eigentlich? Altbackene Wortspielereien? Liebevolle Clownerie? Absurdes Kleinsttheater? Egal – Erwin Grosche lässt sich einfach nicht einordnen, nicht normieren oder kategorisieren. Er ist eine Klasse für sich. Da entfallen Urteile wie „gut“ oder „schlecht“ beinahe von selbst. „Besonders“ trifft es vielleicht noch. „Ungewöhnlich“. Und auf jeden Fall „kindlich“. Denn wenn der Paderborner aus Leidenschaft (so etwas soll es tatsächlich geben) wie jetzt im Bonner Pantheon mit seinem neuen Programm „Abstandhalter“ mit großen Augen in und auf die Welt schaut und an den einfachsten Dingen seine Freude hat, verschwindet der ältere Herr im grau-brauen Jackett zu Gunsten eines spitzbübischen Jungen, der mit einfachen Worten den Zustand zwischen Ahnungslosigkeit und Bestürzung bewahrt.

Es sind diese wunderbaren Beschreibungen, die Grosche ausmachen, dieses unschuldige Philosophieren über Entschleunigung und Gemütlichkeit, das auch Loriot oder Heinz Erhard meisterhaft beherrschten. Da sitzt er, der König der Verlierer, der es sich auf Kosten seiner Frau gut gehen lässt und dabei Pullover mit angenähten Handschuhen oder einen Regenhut erfindet. Einer, der noch immer zu sprechen scheint wie vor 50 Jahren, in klaren Sätzen mit vielen Wiederholungen. Irgendwie süß. Aber irgendwie auch belanglos. Man muss es schon mögen, diese humorvolle Liebkosung der kleinen Dinge: Der Kampf für das Tigerbrötchen etwa, das in den Bäckereien vom Aussterben bedroht ist, weil es vor dem Genuss erobert oder gezähmt werden will; das monatliche Aufsetzen einer Lebensanzeige in der Lokalzeitung, um jedem mitzuteilen, dass es einem noch gut geht; oder der Genuss eines ganz besonderen Stücks Kuchens, der Grosche zu einer Elegie animiert. Warum aber auch nicht? „Wissen Sie, dass Sie auch von Dingen dick werden, die Ihnen nicht schmecken? So kann Gott auch sein.“

Ob dieser spezielle Witz ankommt, entscheidet der erste Eindruck. Grosche weiß das. Nur ist es ihm egal. Er will sich nicht verstellen. Wenn Grosche ein Polizist wäre, er hätte keinen Schäferhund. Sondern einen Mops. Einfach aus Prinzip. „Unterschätze nicht den Träumer in seiner Hängematte“, sagt er. Eine reelle Gefahr, zumal wenn dieser auf einer Wasserorgel ein völlig abstruses Lied zum Besten gibt, Sätze von sich gibt wie „Günter heißt im Winter Walter“ oder zumindest versucht, gleichzeitig Mundharmonika zu spielen und dabei zu singen. So jemanden kann man ja nicht ernst nehmen. Stimmt. Aber deshalb muss man ihn ja nicht gleich kleiner machen, als er ist. Denn kaum ist man in diese Falle getappt, tritt Grosche den Beweis an, dass er durchaus auch feinsinnig sein kann. Und sich einfach einmal fallen lässt. Kein Stress, keine Hektik, kein Leistungsdruck wie nach dem Kauf von 50 Kondomen mit einem Haltbarkeitsdatum von drei Tagen. Nein, einfach mal ordentlich durchatmen, ein Nickerchen halten (am besten im Kollektiv, dann freut man sich hinterher, dass alle auch wieder aufgewacht sind) und dann die Situation aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Vielleicht sollten sie im Pantheon auch ein paar gemütliche Sessel aufstellen. Auch auf die Gefahr hin, dass man dann einige der besten Momente von Erwin Grosche verpasst. Aber dafür andere mit einem gewissen Abstand neu erkennt. Dieser Mann, der nicht so richtig fassbar sein will, dieser Kinderbuch-Autor, dieser putzige Sonderling, dieser Kleinkünstler im besten Sinne des Wortes hat mehr als nur einen ersten Eindruck verdient. Das – und ein Tigerbrötchen für das Kind im Manne. 

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