Bodo Wartke: Der entfesselte Schelm

Freiheit. Tänzerische, stilistische und musikalische Freiheit. Was so ein kleines Orchester im Hintergrund doch ausmachen kann. Für Bodo Wartke, der jetzt in der Beethovenhalle auf die „Swingende Notwendigkeit“ setzt, geht mit der Tour mit dem Capital Dance Orchestra ein Traum in Erfüllung. Von den Fesseln des ihn einschränkenden Klaviers befreit schraubt der 37-Jährige seine Entertainer-Qualitäten in ungeahnte Höhen, genießt die sich ihm erschließende Vielfalt, das Malen mit dem „tief im Eimer der Klangfarben steckenden Pinsel“. Und die Möglichkeit, seinen Bewegungsdrang auszuleben: Walzer, Tango, Foxtrott, Slowfox, Quickstepp, Samba, Cha-Cha-Cha, Rumba, Paso doble, Jive, Jitterbug, mal alleine, später auch gerne mit seinen beiden bezaubernden Backgroundsängerinnen. Bei all dem macht Wartke eine großartige Figur, irgendwo zwischen Georg Kreisler und Roger Cicero – und sorgt so für einen zu Recht umjubelten Abend.

Erfreulicherweise setzt Wartke nicht nur in tänzerischer Hinsicht auf Vielfalt. Die besten Songs aus vier Solo-Programmen packen er und seine Band zusammen mit einigen Neukompositionen in aufregende Gewänder, selbst jenen Fans etwas Neues bietend, die eigentlich jeden seiner Verse auswendig kennen. Mal begleitet ein Marsch ein Lied über deutsche Architektur, dann wieder wird „Ja, Schatz“, diese blutige Phantasie einer Beziehungsendlösung, als Metal-Version dargeboten. Dazwischen Rhythmn and Blues, Rock 'n' Roll, Charleston, Swing und vieles mehr, alles souverän von dem 13-köpfigen Orchester unter der Leitung von Stehgeiger David Canisius präsentiert. Da kann Wartke noch so sehr den Schwierigkeitsgrad erhöhen und damit drohen, dass ein Musiker nach einem Fehler nicht länger mitspielen darf – am Ende sitzt doch noch die gesamte Band auf der Bühne und gibt richtig Gas. Eine bemerkenswerte Leistung. Lediglich Regen-Reggae und testosterongeschwängerter Tango zünden nicht so ganz, schleppen ein wenig im Legato-Gewand. Dafür begeistert die Dancehall-Fassung von „Bettina“, die so auch ohne weiteres von Culcha Canela hätte kommen können. Meisterhaft.

Und Wartke selbst? Wird von Lied zu Lied stärker. Vor allem die Balladen schmeicheln seiner Stimme (so wie „An dich“), doch auch die Rap-Passagen des eröffnenden und schließenden Titelsongs „Swingende Notwendigkeit“ mit seinen Louis-Prima-Reminiszenzen sind ein Genuss. Textlich ist ohnehin nichts auszusetzen: Dieser augenzwinkernde Reimzwang, diese Lautmalereien, das Spiel mit dem Gleichklang und den Doppeldeutigkeiten beherrscht der Klavierkabarettist in Perfektion. Wer sonst würde von der Kavalierkavallerie singen, Tanzen bei Konstanze in Konstanz lernen oder bei der Denkmalwarntafel „bitte nicht berühren“ in melancholischer Nebensächlichkeit tiefsinnig werden. Mit dieser Mischung hat sich der listig lächelnde Schelm in den inzwischen 18 Jahren seines Künstlerdaseins eine beträchtliche Anhängerschaft aufgebaut, die sich in diesem Jahr besonders freuen kann: Zum einen steht ein neues Solo-Programm auf dem Plan, das im September Premiere feiern wird und zu dem Wartke eine kleine Bonn-Sneak-Preview mit fetzigem Stride Piano gewährt, zum anderen wird er die Tour mit dem Capital Dance Orchestra fortsetzen. Was besseres könnte ihm nicht passieren. Denn auch wenn Wartke selbst ein begnadeter Tastenvirtuose ist: Erst in Kombination mit Musikern, die alles mitmachen, kann er sein Talent vollends ausloten, ist nicht durch ein Format beschränkt. Diese Freiheit – sie steht ihm einfach gut.

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