Wishbone Ash: Das Feuer in der Asche

Dieser Feuervogel hat zwei Hälse, saitenbespannt und im epischen Duell mit sich selbst. Gitarre versus Gitarre, Solo versus Solo. Wishbone Ash ist in Topform: Andy Powell und Muddy Manninen geben im finalen „Phoenix“ noch einmal alles, stürzen sich in einen gut 15-minütigen Dialog der Extraklasse, während Bassist Bob Skeat und Drummer Joe Crabtree souverän den Boden dafür bereiten und sich doch auch immer wieder selbst zu Wort melden. Der Höhepunkt eines ohnehin bemerkenswerten Abends in der Bonner Harmonie.

Dort hat die Band um das letzte verbliebene Gründungsmitglied Powell, der Anfang der 70er Jahre zusammen mit Ted Turner das Spiel mit zwei Leadgitarren populär gemacht hatte und damit Bands wie Thin Lizzy oder Iron Maiden inspirierte, mal wieder so richtig Gas gegeben. Doch statt das im vergangenen Jahr erschienene Album „Blue Horizon“ in den Mittelpunkt zu stellen, haben die Briten in die Vergangenheit geblickt – und kurzerhand das komplette „Live Dates“-Album gespielt, das vor 41 Jahren auf den Markt kam.

Für die versammelten Ash-Fans wird mit dieser Entscheidung ein Traum war: „Live Dates“ ist bis heute legendär, die ausufernden Songs Klassiker, die der enormen Bandbreite der Band Rechnung tragen. „Warrior“ trägt schon die Grundstruktur für so manchen späteren Metal-Song in sich, „Ballad of the Beacon“ überzeugt mit fantastischen Folk-Elementen und feinem Harmoniegesang, bei „Pilgrim“ finden sich sogar Sitar-Klänge. Auch dem traditionellen Blues frönen die Vier, greifen zu Jimmy Reeds „Baby what you want me to do“ und zeigen damit wieder eine andere Facette ihres Könnens. Ihr Alter merkt man den Songs dabei nicht an: Dank der gut gelaunten Band schallen sie frisch und energiegeladen in den Saal, offenbaren sich als zeitlose Meisterwerke, die selbst modernen Bluesrock-Stücken ohne weiteres Paroli bieten könnten. So vermisst denn auch kaum jemand die „Blue Horizon“-Stücke, die lediglich ganz am Anfang und schließlich als Zugabe zu ihrem Recht kommen und sich nahtlos in den alten Ash-Sound einfügen.

Derweil werden die Soli länger und länger. Powell lässt lieber seine Gitarre als sich selbst singen, jagt behände über die Saiten, verzaubert und verzaubernd zugleich. Gemeinsam mit Manninen schafft er so fantastische Melodiebögen, bis es dann bei „Jailbait“ zum ersten längeren (also mehr als fünf Minuten dauernden) Showdown zwischen ihm und Manninen kommt. Hinter ihnen trommelt der herausragende Crabtree so dynamisch und kraftvoll, als ob es kein Morgen gibt, während Skeat am Bass die Ruhe selbst ist, immer wieder zu Powell hinübertrabt und ihm jene Unterstützung zukommen lässt, die Wishbone-Ash-Gründer Martin Turner diesem inzwischen versagt – die beiden Veteranen sind seit Jahren dermaßen zerstritten, dass eine Entscheidung über den Besitzanspruch des Bandnamens nur vor Gericht geklärt werden konnte. Zum Glück hat dies auf die Musik keinen Einfluss: Die aktuelle Ash-Besitzung harmoniert hervorragend und sorgt mit ihrem druckvollen Spiel immer wieder für ohrenbetäubenden Applaus. Bis dann schließlich der Phönix mit den Flügeln schlägt und eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass von Asche wirklich nur im Bandnamen die Rede sein kann. 

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