Marco Tschirpke: Orientierungslos im Splitterwald

Und noch ein Gedicht. Beziehungsweise ein Lied. Oder doch nur wieder ein abstruser vertonter Vierzeiler, dessen Anmoderation deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen hat als dessen Vortrag? Bei Marco Tschirpke kann man das nie so genau wissen. Der Musikkabarettist, der nun mit seinem Programm „Am Pult der Zeit“ im Pantheon Casino zu Gast war, spielt mit Erwartungen, bricht sie permanent (letztlich die einzige Konstante des Abends) und springt dabei genüsslich von einem Themensplitter zum nächsten. Frauenquote, Piercings, Pferde und Stefanie Hertel: Tschirpke hat zu allem was zu reimen, immer eines seiner so genannten Lapsuslieder im Repertoire. Auf einen roten Faden verzichtet er bei dieser Wanderung durch den Wald der Fragmente allerdings – und lässt damit vielleicht nicht sich selbst, aber zumindest das Publikum orientierungslos zurück.

Nun kommt dieses erratische, sprunghafte Verhalten im Kabarett immer wieder einmal vor, Anton Grübener hat gar die Konzeptlosigkeit an sich in den Mittelpunkt seines Schaffens gesetzt. Nur entfällt so ein Spannungsbogen, so dass die winzigen Versatzstücke aus sich heraus genug Energie erzeugen müssen, um den Abend zu tragen. Meistens funktioniert das nicht – so auch bei Tschirpke. Statt Würze enthalten seine Miniaturen oft nur plakative Reime und musikalische Floskeln, die dem 39-Jährigen nur bedingt gerecht werden. Denn der kann mehr. Wenn er sich den Raum gibt, um sich zu entfalten und nicht, wie bei der vielversprechenden Interpretation von „Monk's Theme“, nach wenigen Sekunden abbricht und eine Kehrtwende zu Handy-Klingeltönen macht, entsteht tatsächlich gute Satire. Herrlich etwa die Betrachtung eines holländischen Stilllebens oder sein Wahlkampfsong für die Grünen. Und auch die immerhin inhaltlich zusammenhängenden Pferdelieder im Andenken an eine offenbar enthusiastisch reitende Ponyhöflerin ist dank diverser mitschwingender Bedeutungsebenen sehr unterhaltsam.

Den etwas stringenteren Weg im Splitterwald findet Tschirpke allerdings erst in der zweiten Hälfte seines Programms. Jetzt erst können sich Pointen entwickeln, erhalten die Ideen Substanz, statt spinnwebengleich im Raum zu vergehen. „Jedes Publikum neigt ja zu der Annahme, es gehe um sein Amüsement“, hält Tschirpke dagegen. Das macht die anfänglichen Nummern aber nicht besser. Doch wenn man nur lange genug wartet, kommt man auch im Zuschauerraum auf seine Kosten.

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