Tobias Mann: Zukunftsfragen von Priols Erben

„Manchmal regt mich auf, was mich alles aufregt – und was mich nicht aufregt, das regt mich noch viel mehr auf.“ Paradox, aber doch nachvollziehbar. Bei all diesen Skandalen in der Welt ist Protest so flüchtig geworden wie ein Spritzer Eau de Toilette im Schweinestall, Empörung flackert für ein paar Tage auf und erlischt genau so schnell wieder, wie sie gekommen ist. Auch Kabarettisten wie Tobias Mann finden sich immer wieder in dieser Falle. Im Pantheon, wo der Mainzer sein Solo-Programm „Verrückt in die Zukunft“ spielt, bekennt er sich dazu, einer von vielen zu sein, obwohl er es doch eigentlich besser weiß – und redet sich darüber in Rage.

Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Protest gegen das System der zweite. Also wettert Tobias Mann gegen Politik und Gesellschaft, hinterlistige Werbung und offenkundige Aufmerksamkeitsdefizite einer ganzen Nation, kritisch, analytisch, gut. Ein überzeugender Auftritt des 38-Jährigen, der vielen vor allem als Moderator des WDR Kabarettfests ein Begriff sein dürfte.

In den vergangenen Jahren ist der aufgedrehte Kabarettist mit dem breiten Grinsen sichtlich gereift. Neben den üblichen Attacken gegen Politiker, in denen er durch eine verstellte Stimme und das hohe Tempo (das in der ersten Viertelstunde ein wenig zu hektisch wirkte) zunehmend an Urban Priol erinnert, versucht Mann auch, die Mechanismen der Macht offenzulegen. Die Demokratie mit der Goldkante und der Bullshit-Butter-Ummantelung ist nur dank eines exzellenten Marketings alternativlos – vielen genügt das jedoch. Nicht so Tobias Mann. Er will mehr, fordert in Texten und herrlich pointierten Liedern zumindest mal ein Anerkennen und Rezipieren von Ideen wie dem bedingungslosen Grundeinkommen oder fragt danach, wie viele Freiheiten geopfert werden müssen, um sicher leben zu können. Was sagt es denn aus, wenn manche Konzepte von vornherein abgelehnt werden oder Menschen wie Edward Snowden als Verbrecher behandelt werden? „Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen“, zitiert er George Orwell. Treffer.

Die Leidenschaft, mit der Tobias Mann agiert, hat er selbst, so gesteht er, erst wieder erlernen müssen. Erst durch die Geburt seines Sohnes vor vier Jahren habe es ihn wieder gepackt, dem kleinen Mann zuliebe ist der 38-Jährige auf dem besten Weg zum Hornbach-Hammer des Kabaretts. Was durchaus als Kompliment gemeint ist. Mit harten Schlägen, dabei aber immer sympathisch, zerbricht er die dünne Wohlfühl-Hülle um einige kritische Themen, kommt zwar manchmal leicht ins Schwimmen und wird im Bereich Erziehung sogar etwas pathetisch, bleibt aber weitgehend am Ball und eröffnet vor allem einige neue Denkmuster, statt einfach nur alles (und vor allem Angela Merkel) anzuprangern, was nicht so gut läuft. Er hofft auf erste Veränderungen, und zwar im Hier und Jetzt. Nicht erst morgen oder in 20 Jahren. „Wir können die Zukunft nicht gestalten – wohl aber die Gegenwart“, propagiert er. Und packt das Werkzeug aus. Samt Hammer.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0