Die Stimmung ist gedrückt. Krieg? Den braucht doch in erster Linie der Kaiser, um in die Geschichtsbücher einzugehen. Aber nicht die vier Soldaten, die da nebeneinander auf dem Donnerbalken hocken und ihr Geschäft verrichten, während sie darüber philosophieren, wie es zu so einem riesigen bewaffneten Konflikt kommt. Eine kurze Szene, eines von mehreren Splitterfragmenten, die die Theatergruppe S.U.B.-Kultur an der Uni Bonn jetzt in einer gut einstündigen Produktion auf die Bühne bringen. Bei der Generalprobe gewährte das Ensemble bereits einen Blick auf das faszinierende Werk.
In einer theatralischen Collage wollen sich die elf Schauspieler um Regisseur Marcus Brien dem Ersten Weltkrieg nähern, der vor 100 Jahren seinen Anfang nahm. Dramen- und Romanauszüge verknüpfen
sie mit Feldpostbriefen, bringen Gedanken, Ängste, Träume aus jener Zeit ins Licht. Erich Maria Remarque wird zitiert, Bertha von Suttner, Rosa Luxemburg, natürlich Karl Krauss („Die letzten Tage
der Menschheit“). Aber auch die große Kriegsrede von Kaiser Wilhelm II. ist zu hören sowie Interviews mit Frauen, die zu Hause blieben und sich um ihre Männer sorgten. All das setzt die
S.U.B.-Kultur in dramatischen Miniaturen um, die zum Teil auf alten Fotografien beruhen. Ein Beamer zeigt die Bilder, die Schauspieler die dazugehörigen Worte. Erst die Begeisterung, den
Nationalstolz, dann die Abschiede, später die Desillusionierung. „Zwei Jahre Schießen und Handgranaten, das kann man nicht ausziehen wie einen Strumpf“, sagt etwa einer an der Front, ein junger
Bursche, der sich fragt, was er in Friedenszeiten machen soll, falls er überhaupt überlebt. Keine abgeschlossene Schule, keine Ausbildung, keine Perspektive. Der Krieg vernichtet auch jene, die
überleben, so die Botschaft. Eine, die die Menschheit bis heute nicht begriffen hat.
„Splitterfragmente“ ist ein bemerkenswertes Projekt mit einer starken Textauswahl und überzeugenden Darstellern, die nur mit rudimentären Requisiten einige spannende und zugleich erschreckende
Einblicke in die Kriegszeit gewähren. Dazu kommt die atmosphärische Musik des Trios Gogogoldfisch, eine sich weitgehend zurückhaltende, immer prägnante Klangwelt aus Synthi-Sounds,
Gitarren-Pickings und dezenten Drum-Patterns. Drei Tage lang spielt S.U.B.-Kultur ihr Stück nun im Collegium Musicum – alle Vorstellungen sind bereits ausverkauft.
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