Sebastian Sternal: Abstrakter Dialog ohne Worte

Ein Blick reicht zur Verständigung. Ein Blick, aus dem Sebastian Sternal und Claudius Valk alles herauslesen können, was für die nächsten Takte von Bedeutung ist. Alles weitere ergibt sich intuitiv. Das herausragende Duo, das in diesem Jahr den Neuen Deutschen Jazzpreis gewann, beschließt für dieses Jahr die Reihe „Jazz in Concert“ im Pantheon Casino, setzt ein Ausrufezeichen hinter ein erfolgreiches Experiment, das im kommenden Jahr weitergeführt wird. Saxofonist Valk und Pianist Sternal tauchen tief ein in den Modern Jazz, ereifern sich in abstrakten Phrasen, nur um kurz darauf wieder zu einem lyrischen Spiel zurückzukehren, zu einer fast schon romantischen Phrasierung. Ein Dialog zweier Musiker, die sich in- und auswendig kennen und auch blind drauf losspielen könnten. Was sie in gewisser Weise auch tun.

„Wir haben in den vergangenen sieben Jahren so viele Stücke in unser Repertoire aufgenommen, dass wir inzwischen dazu übergehen, nicht mehr auszuwählen, sondern einfach anzufangen und dann zu sehen, wohin es uns verschlägt“, erklärt Claudius Valk zu Beginn des Konzerts. Keine Karte, kein Kompass, nur das Gefühl für den jeweils anderen. Irgendetwas wird sich da schon ergeben. In der Tat, auch wenn zumindest für jene, die noch nicht allzu weit in den Bereich von Avantgarde und Modern Jazz vorgedrungen sind, die oftmals schrägen Passagen, das Quietschen des Saxofons und die Cluster-Klänge des Klaviers irritierend sind. Andererseits setzen Sternal und Valk auf Abwechslung, bleiben nie zu lange zwischen den Disharmonien. Wäre ja langweilig. Beide sind Meister ihrer Instrumente, holen alles aus ihnen raus. Vor allem Valk fasziniert: Mal klingt sein Saxofon wie ein Didgeridoo oder eine mutierte Hummel, dann wieder tönt es mit vollem Klang; einmal verwandelt es der 48-Jährige nur durch die Bedienung der Klappen sogar in eine Art Bass. Klasse. Sternal brilliert derweil mit seinem bemerkenswerten Spiel zwischen Klassik und Jazz, in allen Stilen zuhause, sie alle vereinnahmend und zu seinem eigenen machend.

Die zweite Konzerthälfte besteht dagegen aus mehr als nur einer langen Wanderung durch die Höhen und Täler der Jazz-Landschaft. Jetzt sind Standards angesagt. Cole Porters „Everything I love“ steht Ornette Colemans „WRU“ gegenüber, eine Musical-Nummer trifft auf ein Free-Jazz-Stück. Passt zum sonstigen Wirken Sternals und Valks. Dazu Eigenkompositionen: Ein weitgehend besinnliches schwedisches Kinderlied, dem Sternal leider nicht seine Stimme leihen möchte, und ein Aufruf zur Rettung des bedrohten Wortes „Lichtspielhaus“. Alles charmantere, zugänglichere Stücke (abgesehen von „WRU“), modern gespielt, aber nicht so extravagant wie der erste Dialog. Eine gute Mischung. So wie auch „Jazz in Concert“. 

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