Schlachtplatte: Jahresbilanz aus dem Schützengraben

Es ist ein gnadenloser Krieg. Vor allem von rechts. Immer wieder Phrasen-Beschuss durch Schwadrone von Schwadroneuren, polternder Parolendonner, Radikalinski-Granaten. Meistens Blindgänger, aber dennoch nicht ungefährlich. Im Schützengraben des Pantheon derweil die diesjährige Schlachtplatten-Truppe, die zum Jahresabschluss den Jahresabschuss probt und alles in die Verbal-Haubitzen lädt, was sie zu fassen kriegt: Kalauer, Pointen, Lieder und Grimassen. Kabarettistisches Streufeuer.

Immerhin, wenn die Fantastischen Fünf in Dirk-Niebel-Gedächtnisuniformen unter dem Kommando von Robert Griess zusammenarbeiten, sorgen sie so für einige Treffer. Irgendwer muss ja ran, wenn die Sperspitze der deutschen Unterhaltung, das Publikum, nur das eigene Weltbild bestätigt sehen will und damit wehruntauglich ist. Da eignet sich die pythoneske Formation gar nicht mal schlecht. Nur an den Solo-Einsätzen müssten die Kabarett-Kombatanten noch etwas feilen – ab und zu kommt es da zu Querschlägern.

In diesem Jahr dienen Jens Neutag, Matthias Reuter und das Duo Onkel Fisch unter Feldmarschall Griess, der nach einer gemeinsamen Übung doch lieber im Alleingang die Armee der Schwachen mobilisieren will: 99 Prozent der Bürger sind nicht systemrelevant, rechnet er mal wieder vor, das geht doch nicht. Es muss ein #Aufschrei durch Deutschland gehen! Und Griess, der will das Volk fit machen, auch wenn der Gegenpol Chin Meyer, mit dem er diesen Versuch zuletzt unternommen hat, leider fehlt. Egal, geht auch so. Im Demo-Training fordert Griess Parolen gegen die Ein-Prozent-Oberschicht, symbolisiert durch einen mutigen Mann aus dem Publikum, der sich von den Forderungen der ungewaschenen Massen um ihn herum unbeeindruckt zeigt. „Das Leben ist kein Bonihof“? Doch, für manche schon. Vor allem wenn von der Gegenbewegung nichts übrig bleibt. „Voll die Revolte“? Wohl kaum.

Noch scharfzüngiger zeigt sich Matthias Reuter. Singen kann er zwar immer noch nicht (für einen Musikkabarettisten schon etwas ungewöhnlich), texten dafür umso besser. Sowohl seine Hooligan-Ballade vom geliebten Feind als auch die Oktoberfest-Abrechnung machen einfach Spaß, reißen trotz stimmlicher Mängel und einiger Verspieler mit. Leider gilt gleiches nicht für die Auftritte von Jens Neutag: Sein Versuch, als Che Guevara die deutsche Politik zu kommentieren, ist schlichtweg peinlich, seine Analyse der hypnotischen Subtexte in Merkel-Reden und die Diagnose des Deutschland- statt des Stockholm-Syndroms nicht viel besser. Dann doch lieber Onkel Fisch zuhören. Die beiden haben immerhin gute Grimassen im Repertoire, auch wenn die Einbindung von Fakten noch ein wenig aufpoliert werden könnte. Immerhin versuchen Adrian Engels und Markus Riedinger zumindest, das Freihandelsabkommen TTIP und dessen Folgen zu erklären, was zumindest beim Investorenschutz anhand eines Plätzchenback-Beispiels ganz gut funktioniert, und setzen ansonsten auf Groteske in Reinform („Political Transformers“).

Dieser Stil prägt auch die gemeinschaftlichen Aktionen des Quintetts, die dadurch allerdings nicht an Qualität verlieren. Ob im Schützengraben oder außerhalb. Großartig etwa der Workshop für alternative Kampagnen der AfD, in dem der Ehrlichste letztlich der Bösartigste ist. Auch die dem Grünen-Gedanken entsprechenden Fair Kills durch Bajonett-Drohnen sind zwar eine Ausgeburt sämtlicher nur denkbarer schlechter Klischees, aber gut umgesetzt. Gleiches gilt für das Drama des Jahres, ein wildes Konglomerat aus Shakespeare, politischer Satire, avantgardistischem Sprechgesang und christlichem Missionarsspiel – wobei letzteres dann doch die Grenzen des guten Gechmacks sehr weit dehnt. Aber gut, das ist Krieg. Da müssen die schweren Geschütze aufgefahren werden. Auch wenn die Trefferwertung darunter leidet. Volle Breitseite. Und das Publikum jubelt. Es genießt den Krieg. Sollte einen nachdenklich machen...

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