Reinhard Mey: Lebensgeschichten eines bunten Hunds

Ein strahlendes Lächeln, ein „da bin ich wieder“ nach drei Jahren Auszeit – und alles ist wieder gut. Mehr braucht es nicht, um bei den Besuchern in der ausverkauften Kölner Philharmonie wohlige Schauer zu erzeugen, Zuneigung für diesen ergrauten „komischen Vogel dem schwarzem Gefieder“, der ganz alleine in der Saalmitte steht, von Alltagsdingen, Freunden, Rüpelrappern und vor allem von sich selbst singt und mit seiner unvergleichlichen Lyrik immer wieder einen Nerv trifft. Weil er so vieles in sich vereint: Geschichtenerzähler, Märchenonkel, Spielmann, Gaukler, Traumtänzer. Eben Reinhard Mey.

Es ist eine Art Reminiszenz, die der 71-Jährige derzeit betreibt – keine endgültige, den Zenit hat er ja noch vor sich, aber eine, die bereits wesentliche Elemente seines Lebens umfasst. An seine Kindheit denkt er gerne zurück, an den Taschentuchduft der Eltern, an die ersten Spielmanns-Sehnsüchte, an die ersten unerfüllten Wünsche, für die er heute so dankbar ist. Dann natürlich an seine Familie: Liebeserklärungen für die Ehefrau, eine Hymne an die Spangen und Schleifen und Bänder tragende Tochter, ein kleines Lied aus der Zeit als schützenswerter Jungvater und das Album und Tour den Titel gebende „Dann mach's gut“, ein wehmütiger Abschied von Sohn Maximilian, der zum Entstehungszeitpunkt des Stücks noch im Wachkoma lag und der im Mai verstarb. Was für Emotionen da an die Oberfläche kommen, getragen von Meys mehr erzählender denn singender intensiv-warmer Stimme. Ganz persönliche, intime Momente, die der Liedermacher preis gibt und die doch in jedem Zuhörer etwas berühren, eigene Erinnerungen wachrufen. „Ich wollte wie Orpheus singen“, wünschte Mey sich einst in seinem ersten Chanson – das hat er längst geschafft. Dabei mischt sich in seinen Liedern Nostalgie mit jenem schelmischen Augenzwinkern, das dem bunten Hund seit jeher eigen ist: So sorgt das Lied für die sich zurückhaltende gute Fee für manchen Lacher, gegen den Mey nicht anzusingen versucht, sondern genüsslich ein paar weitere Akkorde anschlägt.

Zwischen den neuen Kompositionen greift Reinhard Mey immer wieder ins Archiv und holt einige seiner schönsten musikalischen Schätze hervor. Kritisch besingt er das Narrenschiff, das noch immer Kurs auf den Abgrund hält, lässt Otto Lilienthal in einer der bewegendsten Balladen noch einmal fliegen und schwingt sich selbst noch einmal in das Reich über den Wolken auf, dabei so fokussiert, dass keiner in der gesamten Philharmonie sich traut, die Strophen oder zumindest den Refrain mitzusingen. Nein, dieses Lied gehört ganz diesem verträumten Mann auf der Bühne, der das Konzert sichtlich genießt. „Ich hatte gehofft, dass es so kommen würde“, sagt er nach dem ohrenbetäubenden Schlussapplaus, den stehenden Ovationen und den Forderungen nach den üblichen drei Zugaben. Als ob irgendjemand daran hätte zweifeln können. Wenn es nach dem Publikum gehen würde, könnte Mey noch drei Stunden weiterspielen, zur Diplomatenjagd blasen, auf den Nanga Parbat klettern und am Freitag, den 13. ankommen. Das passt nicht in eine Zigarette und ein letztes Glas im Stehen. Und so bleibt nur die Hoffnung, dass Reinhard Mey wiederkommt. Möglichst nicht erst in drei Jahren.

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