
Was macht einen Psychopathen aus? Wie tickt ein Mensch, der kaltblütig andere tötet und dabei keine Reue empfindet? Und sind wir nicht alle ein bisschen psychopathisch? Lydia Benecke kennt die Antworten. Die Kriminalpsychologin hat permanent mit gestörten Straftätern zu tun – im gut gefüllten Pantheon sprach sie nun über ihre Erfahrungen, skizzierte die Charakteristika von Narzisten, Soziopathen und Borderlinern und stellte Fallbeispiele vor. Ein spannender Abstieg in das Zentrum des Bösen.
Dabei wirken gerade die größten Mörder nach außen hin normal: Der „Toy Box Killer“ David Parker Ray etwa, Ted Bundy oder der „Iceman“ Richard Kuklinski, dem sich Lydia Benecke sehr ausgiebig
widmet, da er sich im Gegensatz zu vielen anderen Psychopathen immer wieder für Interviews zur Verfügung gestellt hat. „Wie wäre ein Mensch, bei dem alle sieben Todsünden sehr stark ausgeprägt
wären?“, fragte Benecke, die eine Verbindung zur dissozialen Persönlichkeitsstörung zog – in Kombination mit Narzissmus eine tödliche Mischung. Alle Emotionen mit Ausnahme der Wut sind gedämpft,
dazu das Gefühl der eigenen Überlegenheit: Das Bild erinnert an einen Drogentrip. Und tatsächlich erklärte Benecke: „Wer sich zum ersten Mal Koks reinzieht, wird für ein paar Stunden zum
Psychopathen.“
Im weiteren Verlauf des Abends wurde die hübsche Therapeutin mit dem Faible für die Gothic-Szene leider ein wenig unstrukturierter. Der Fall des französischen Rockstars Bertrand Cantat ist nur
bedingt anschaulich, da vieles auf Spekulation beruht, die in Liedern thematisierte Borderline-Störung Eminems hängt etwas in der Luft – und der Fall des romantischen Nekrophilen Carl Tanzer ist
zwar unterhaltsam, aber in einem ganz anderen Feld anzusiedeln als der der zuvor besprochenen Gewaltstraftäter. Spannend und lehrreich war der Vortrag dennoch. Eine Wiederholung könnte es
im Frühjahr geben: Dann erscheint Beneckes neues Buch über Sadisten.
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