Joja Wendt: Koketterie mit dem Niveau

Eigentlich ist jedes Stück eine Herausforderung. Und zugleich so einfach. Mühelos jagt Joja Wendt über die schwarzen und weißen Tasten, spielt virtuos Fats Waller, Vladimir Horowitz oder Antonio Vivaldi; „Handful of Keys“, Carmen-Variationen, Frühlings-Presto. Alles höchst anspruchsvoll, technisch und interpretatorisch. Auch wenn es bei dem Crossover-Pianisten, der in der Bonner Oper seine aktuelle Tournee beendet und sich 2015 eine kreative Pause gönnt, bei weitem nicht so aussieht. Das ist seine Stärke, das hebt ihn von so manchem Kollegen ab: Statt letztlich banale Rocksongs mit wehendem Haupthaar und hübschen Mädels an den Seiten als das Nonplusultra der Instrumentalmusik zu verkaufen, geht Wendt den entgegengesetzten Weg und lässt selbst die schwierigsten Stücke wie eine Fingerübung aussehen, bei der man immer wieder Zeit für ein bisschen Blödsinn hat.

Diese Koketterie mit dem Niveau, diese Entkrampfung vor allem klassischer Musik ist nicht ohne Gefahr: Wendt balanciert immer wieder an der Grenze zum Klamauk, taumelt auch mal, wenn er wieder in bester Slapstick-Manier mit seinem hydraulischen Flügel eine Fahrt über die Alpen simuliert und dabei zum Schluss hinter seinem Instrument herstolpert – vor Stürzen kann er sich jedoch erfreulicherweise retten. Zumal der Tastenclown bei allen Verrücktheiten in der Präsentation die Musik an sich ernst nimmt. Keine Dancefloor-Versionen aus den Vier Jahreszeiten. Die hat Joja Wendt nicht nötig. Gleiches würde auch für die permanente Selbstverliebtheit gelten, mit der er auf gegenläufige Chromatiken und andere fordernden Techniken hinweist, während eine kleine Kamera starr auf seine Hände gerichtet ist. Doch dies gehört zum Spiel dazu: So wie auch in der Manege jeder Artist der Größte, Beste und Spektakulärste ist, trumpft Wendt immer wieder mit neuen Weltrekord-Premieren auf, prahlt augenzwinkernd mit seinen Fähigkeiten, übertreibt es bewusst – und stellt dann unter Beweis, wozu er wirklich in der Lage ist.

 

Unterstützt von Bassist Olaf Casimir und Drummer Christoph Buhse zaubert er Boogie, Swing, Stride und Klassik, präsentiert das Hauptthema zum Stummfilmklassiker „Der Scheich von Arabien“ und holt sich für „Misty“ kurzerhand den im Publikum sitzenden Posaunisten Jiggs Whigham auf die Bühne. Doch Bonn hat mehr zu bieten. Etwa den 13-jährigen Schlagzeuger Joshua Knauber, den Wendt zwei Wochen zuvor in einer Musikschule kennenlernte. Auch er wird auf die Bühne gebeten, ganz unverkrampft zu „Take Five“. Eine Herausforderung. Doch dank Wendt und einem exzellent agierenden Nachwuchs-Drummer letztlich ganz einfach. 

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