Colosseum: Brot und Spiele auf Jazzrock-Art

Antik ist höchstens der Name: Die Jazzrock-Formation „Colosseum“ mag zwar schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben, zum alten Eisen muss sie sich aber noch nicht zählen lassen. Ganz im Gegenteil: Auf Einladung der Harmonie Bonn ist die Kultband jetzt ins Brückenforum gekommen und wischte mit einem Konzert der Superlative fast alle Sorgen hinweg, die Fans im Vorfeld gehabt haben mögen. „Wir können noch“, so die Botschaft. Und ob sie können...

Dabei sah es vor einigen Jahren noch ganz anders aus. 2011 musste die an Parkinson erkrankte Saxofonistin Barbara Thompson ihren Rücktritt aus der damaligen Reunion-Band bekannt geben (die Originaltruppe hatte sich 1971 aufgelöst und erst 1994 wieder vereint); ihr Ehemann, Drummer und Colosseum-Gründer Jon Hisemann, folgte ihr. Dank einer neuen Medikamentation ist Thompson nun aber wieder in der Lage zu spielen – und sorgt für Genuss in Reinform. Kraftvoll ist ihr Spiel, intensiv, ein permanentes Aufbäumen gegen die Krankheit, die durchaus Spuren hinterlassen hat, der sie aber mit fantastischen Soli Paroli bietet. In ihren Jazzmelodien hört man keine Melancholie, sondern Lebensfreude und Leidenschaft: Konzerte als Lebenselixiere. Funktioniert anscheinend, zumindest bei Thompson, die erst gegen Ende des Zwei-Stunden-Auftritts die Bühne verlässt, um während einiger exzessiver Rock-Passagen von Ausnahme-Gitarrist Clem Clempson ein wenig Luft zu schnappen. Sänger Chris Farlowe muss dagegen öfter gehen, schmettert nur gelegentlich ein paar tolle Blues-Phrasen ins Mikrofon und überlässt ansonsten den Instrumentalisten das Feld.

Die zeigen den knapp 1000 Fans denn auch, warum Colosseum bis heute zu den besten Jazzrock-Formationen der Welt gezählt werden kann. Neben Thompson und Clempson stechen vor allem Bassist Mark Clarke und Drummer Jon Hiseman hervor: Ersterer mit einer beeindruckenden Bandbreite, unaufdringlich wenn nötig und prominent wenn möglich (was ihm sowohl auf den Saiten als auch durch seine Gesangspassagen gelingt), letzterer mit jenem treibenden, schwebenden Sound, der sein Markenzeichen ist und der sowohl Jazz- als auch Rock-Elemente zu einer spektakulären Mischung vereint. Zusammen mit dem eher zurückhaltenden Keyboarder Dave Greenslade sorgen sie für den eigentlichen Colosseum-Sound, an den die Solisten dann andocken können. Dies zeigt sich in besonderem Maße in der „Valentyne Suite“, die laut Hiseman an jenem Abend fertig gestellt wurde, an dem „Neil Armstrong in einem Hollywood-Studio vorgab, auf dem Mond zu landen“. Was für eine Meisterleistung. Spacig, rockig, abgedreht, genial. Farlowe hat sich schon längst verabschiedet, Thompson zieht sich nach ihrem wahrscheinlich stärksten Auftritt des Abends leider ebenfalls zurück – und die Sause kann beginnen. Clempson und Co drehen jetzt so richtig auf, schaffen ein Stück Magie, neben dem auch das Jack-Bruce-Cover „Morning Story“ oder der starke „Blues to Music“ verblassen. Die Gitarre zeichnet komplexe Melodielinien, Clarke übernimmt irgendwann am Mikrofon einen Chor-Part, Hiseman trommelt sich um Kopf und Kragen und selbst Greenslade hat seinen goldenen Moment. Der Höhepunkt eines grandiosen Konzerts, das mit einem gut zehnminütigen Drum-Solo und dem anschließenden „Los Angeles“ zu Ende geht und die Colosseum-Band noch einmal komplett antreten (und im Falle von Thompson auch noch einmal wunderbar spielen) lässt. Vor dieser Leistung kann und muss man sich verneigen. Chapeau.

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