Dead Lord + The Answer: Doppelter Angriff auf die Nackenmuskeln

Haare fliegen, Köpfe wippen, Hände zeigen Metal-Zeichen: Der erste Tag des aktuellen Crossroads-Festivals in der Harmonie begeistert vor allem Fans der härteren Gangart, die nichts gegen einen ordentlichen Schuss Retro-Rock einzuwenden haben. Der Geist von Thin Lizzy schwebt über der Menge – natürlich auch der von AC/DC, aber der ist ohnehin bei nahezu jeder Band, die es krachen lassen will, omnipräsent. Dazu noch eine Blues-Note a la Led Zeppelin, fertig ist eine Mischung, die zumindest in den beiden aufspielenden Inkarnationen bei Rock-Liebhabern und Kritikern gleichermaßen für Begeisterung sorgt.

Schon Dead Lord hauen dem Publikum die Riffs um die Ohren, lassen gedoppelte Gitarren über fetzigen Grooves dröhnen, geben permanent Gas. Stillhalten? Können die Schweden nicht. Selbst wenn sie sich in Balladen versuchen, halten sie sich nur mit Mühe zurück, wollen eigentlich nach vorne zu preschen und sich in schweißtreibenden Instrumental-Passagen zu ergießen. Sonderlich differenziert ist das nicht, soll es wohl auch nicht sein. Stattdessen geht die Marschroute geradewegs in Richtung des Herzens des rohen, direkten Rocks – und mündet musikalisch gesehen in der Peripherie. Es fehlt einfach die Fantasie und auch die Virtuosität, um weiter vorzudringen. Solide spielen die vier toten Adeligen ja, verstehen mit ihren Instrumenten umzugehen, doch spätestens wenn die Soli nach wenigen Takten abbrechen, werden die Grenzen des Quartetts deutlich. Fürs Abnicken reicht das. Für mehr aber auch nicht.

Da legt The Answer gleich mal eine Schippe drauf. Oder auch zwei. Die Iren zeigen sich deutlich vielseitiger, abwechslungsreicher, zugleich nicht weniger kraftvoll wie Dead Lord. Frontmann Cormac Neeson, dessen Stimme in manchen Momenten tatsächlich ein wenig an Brian Johnson erinnert, beherrscht die Bühne, springt, röhrt, johlt und kreischt mit jeder Menge Verve, kann aber auch ohne weiteres einige andere Töne anstimmen. Stark auch Bassist Micky Waters, der sich erfreulich wandlungsfähig zeigt, mal funkig daherkommt, dann wieder staubtrocken. Das hat in der Vergangenheit schon einige beeindruckt, unter anderem die Mutter von Thin-Lizzy-Bassist Phil Lynott: Sie gestattete Waters, als erster seit dem Tod ihres Sohnes im Jahr 1986 auf dem legendären schwarzen Thin-Lizzy-Bass zu spielen. In der Harmonie hört man den Grund. Respekt, auch für die kraftvollen Drums von James Heatley und die starken Gitarrenriffs Paul Mahons. Gradlinig, aber nicht eintönig. Geht doch.

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