Nachdem der erste Tag des aktuellen Crossroads-Festivals in der Harmonie vor allem von Thin-Lizzy-Imitationen beherrscht wurde, zeigte sich der zweite weitaus abwechslungsreicher, komplexer, spannender. Und gegensätzlicher: Auf der einen Seite ein niederländischer Singer-Songwriter mit Hang zu ausgefeilten, vielschichtigen Klangkonstrukten, auf der anderen ein Quartett aufstrebender Gute-Laune-Rocker mit mindestens einem Megawatt Energie. Spaß machten beide. Wenn auch auf ganz unterschiedliche Art und Weise.
Den Auftakt übernahmen die acht Multiinstrumentalisten um den Sänger und Gitarristen Blaudzun. Keyboards, Schlagzeug, Geige, Trompete, Bass, Glockenspiel und vieles mehr machte die Bühne schnell
sehr klein, aber irgendwie auch kuschelig. Also galt auch fürs Publikum: Zurücklehnen und genießen. Und bei den schnelleren Passagen tanzen. Denn Blaudzun, der sich den Nachnamen eines dänischen
Radfahrers als Pseudonym gewählt hat, vermengte die musikalische Kraft von Arcade Fire mit den elaborierten Arrangements von Get well soon, ließ seine Bandmitglieder beeindruckend dramatische
Ton-Collagen zaubern und setzte eine teils druckvolle, oft aber auch ätherische Stimme darüber, die schnell mal an den vom Seelenschmerz zerfressenen Chris Isaak erinnert (den Blaudzun auch gegen
Ende kurz zitiert). Jedes Stück ein Kunstwerk, meisterhaft komponiert und arrangiert, eine Mischung, die Herz und Hirn gleichermaßen anspricht. Toll.
Einige Besucher litten allerdings darunter, dass Blaudzun den ersten Auftritt des Abends für sich in Anspruch nahm: Sie waren in einem Stau steckengeblieben und hatten sich eigentlich nur für den
Niederländer auf den Weg nach Bonn gemacht. Doch dann kam Go Go Berlin – und entschädigte für vieles. Zugegeben, die vier Dänen wirkten etwas entrückt, nicht ganz aus dieser Zeit, hätten mit
ihrem Poser-Rock auch gut in die 80er gepasst. Aber schließlich muss man das Rad ja nicht neu erfinden. So lange es nur schön rund ist. Und genau das gelang Go Go Berlin hervorragend: Frisch,
froh, fetzig, frei hämmerten sie ihre in Noten gepresste gute Laune in die enthusiastische Menge, eine Breitseite nach der nächsten von vertraut wirkender, aber immerhin erstaunlich
wirkungsvoller und zunehmend stärker werdender Musik. Als Einflüsse nennen die Dänen alles von den Rolling Stones bis hin zu The Strokes und Kings of Leon, eigentlich müsste aber auch der
Bombast-Rock von Bands wie Bon Jovi oder Aerosmith genannt werden. Egal: Das machtvolle Spiel der Vier sorgte für eine fantastische Stimmung, für eine Horde tanzender Menschen jeden Alters,
kurzum für eine Party, wie sie bei Crossroads nicht immer selbstverständlich ist. Aber ruhig häufiger sein dürfte.
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